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Der Dürrnberg im rechten Licht

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„Die Kelten in Mitteleuropa” lautet das Thema der ersten Salzburger Landesausstellung: einer.bis Ende September zugänglichen Schau im Halleiner Keltenmuseum, zu dessen eigener Sammlung mit den ebenso ergiebigen wie qualitätvollen Grabungsfunden vom Dürrnberg nicht weniger als 70 Museen aus zwölf Staaten Leihgaben beisteuerten. So entstand ein Gesamtbild keltischer Kultur, Kunst und Wirtschaft vom 6. bis zum I. Jahrhundert vor Christus, wobei Ausläufer weit über das mitteleuropäische Kerngebiet hinaus, von Mittelitalien und Südfrank-feich bis Großbritannien und Skandinavien sowie von der Bretagne bis nach Rumänien nachweisbar sind.

Diese Weiträumigkeit und Ausstrahlungskraft einer Kultur, die ohne ein einziges Schriftzeugnis nur aus archäologischen Funden Gestalt gewinnt, sichert der Halleiner Ausstellung internationale Bedeutung und dies umso mehr, als sie sich gemeinsam mit der gleichzeitigen Dokumentation der Hallstattperiode auf Schloß Lamberg in Steyr zu einem regelrechten Panorama des letzten vorchristlichen Jahrtausends im Herzen unseres Kontinents zusammenfügt.

Dank1 nachbarlicher. Abstimmung beiderseits der salzburgisch-oberösterreichischen Grenze kann sich heuer der Besucher in vergleichsweise kurzer Distanz auf Spurensuche der europäischen Frühgeschichte machen - besonders Eilige werden es sogar schaffen, 1000 Jahre Prähistorie in Tagesfrist zu durchmessen.

Solchen Ausstellungs-Sprintern zwischen Steyr und Hallein kommt der klar gegliederte Aufbau der Schau im Keltenmuseum zweifellos entgegen. Mehr noch aber wendet sich die mit rund 270 Exponat-Ensembles reich bestückte Ausstellung samt ihrer Sonderabteilung über das keltische Münzwesen an jene, die mehr Muße zur Vertiefung in das Phänomen der Kelten erübrigen können beziehungsweise wollen. ,

Gleichermaßen wird sie Fachleute aus aller Welt in die Salinen-Stadt pilgern lassen, denn noch niemals fand man bisher etwa den Helm aus dem mittelitalienischen Canosa, deji Silberkessel aus dem dänischen Gunde-strup, den Prunkschild von Battersea und die Säule vom Pfalzfeld, den Helm aus dem rumänischen Ciumesti, die sieben Goldringe vom schweizerischen Erstfeld oder den Silberreif von Trich-tingen mit dem Hallstätter Schwert und der Dürrnberger Schnabelkanne unter demselben Dach vereint.

Nicht minder freilich als diese erlesenen Spitzenstücke keltischer Kunst verleihen jene Ausstellungsobjekte der Halleiner Exposition Anziehungskraft, die eine Vorstellung vom Leben der Kelten veranschaulichen. Dies tun Gegenstände des täglichen Bedarfs - beispielsweise Toiletteutensilien, Haushaltswaren, landwirtschaftliches Gerät und Handwerkszeug ebenso wie Kriegsausrüstung, Weiheobjekte und Gedenkgaben. Ihre regionalen Besonderheiten und oft überraschenden Gemeinsamkeiten werden durch geschickte Gegenüberstellungen einprägsam zum Ausdruck gebracht.

Publikumsgerechte Ergänzung findet die Ausstellung von Originalen durch Dioramen einer Grablege und eines prähistorischen Dürrnberger Salzstollens, durch eine halbstündige Multivisionsschau im Keltenmuseum sowie durch eine Art Freilicht-Filiale am Dürrnberg mit Rekonstruktionen keltischer Gehöfte, des berühmten Fürstengrabes und durch einen archäologischen Lehrpfad entlang der gegenwärtigen Grabungsstätten.

Mit dieser umfassenden Schau verfolgen die Wissenschafter zweierlei. Zum einen soll sie erstmals die weitverzweigten Wurzeln und ebenso weit ausstrahlenden Entwicklungslinien einer vorgeschichtlichen Kultur ins Bewußtsein rufen, deren erstaunliche Einheitlichkeit ohne politische Entsprechung blieb. Zum anderen aber ist es ein Anliegen der Salzburger Archäologen, die auch in Fachkreisen meist unterschätzte Bedeutung des Dürrnberges zur Keltenzeit ihrem tatsächlichen Rang gemäß ins rechte Licht zu rücken.

Schon jetzt können die archäologischen Zeugnisse aus der Periode keltischer Salzgewinnung und Besiedlung am Dürrnberg als die reichsten in ganz Mitteleuropa gelten. Zwar wurden vorläufig kaum zehn Prozent der zu erwartenden Ausbeute dem Erdboden entrissen, doch gesellten jüngst intensivierte Grabungen dem bereits Vorhandenen eine derartige Fülle sensationeller Funde hinzu, daß die Rolle des Dürrnberges als Zentrum keltischer Kulturdokumentation außer Frage steht.

Von einem Archäologen-Symposion über „Die Eisenzeit in Mitteleuropa”, zu dem das heuer auch sein 750-Jahr-Stadtjubiläum begehende Hallein vom 4. bis 8. Juni lädt, erwartet man sich hiezu weitere wissenschaftliche Ergebnisse.

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