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Archäologen auf heißer Spur

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Für etwa mögliche Neufunde der ar­chäologischen Grabungen am Dürrn­berg hatte man in der Salzburger Lan­desausstellung „Die Kelten in Mittel­europa“ vorsorglich eine aktuelle Vi­trine reserviert. Sie sollte schon bald nach Eröffnung der von Mai bis Okto­ber 1980 veranstalteten Schau im Hal­leiner Keltenmuseum repräsentativ ge­füllt sein und reichte zu guter Letzt nicht einmal für die sensationellsten Stücke der letztjährigen Grabungs­kampagne aus.

Glück und Zufall hatten nämlich den vier Archäologenteams unerwartet rei­che Ausbeute zugespielt: unter ande­rem eine prachtvolle Röhrenschnabel­kanne, zwei Eisenhelme, silberne Arm- und Fingerreifen, außergewöhnliche Schmuckfibeln, ein üppig ausgestatte­tes Streitwagengrab sowie zwei Holz­kammergräber.

Diese aufsehenerregenden Grabungs­erfolge trugen gewiß zum großen Pu­

blikumserfolg der Halleiner Kelten­schau bei. Hofften die Veranstalter der Ausstellung ursprünglich durch die Traumzahl von 150.000 Besuchern we­nigstens einen Teil der Unkosten ihres Unternehmens wieder hereinzubrin­gen, so wurden sie durch den Ansturm von über 337.000 Kulturpilgern auf das angenehmste überrascht. Daß sich dank Eintrittsgeldern und insbesondere des in 65.000 Exemplaren verkauften Katalogs der vorauskalkulierte Millio­nenverlust in einen Millionengewinn ummünzen ließ, sei als Rarität des ge­genwärtigen Ausstellungswesens ver­merkt.

Die Neufunde leisteten allerdings auch dem wissenschaftlichen Hauptan­liegen dieser ersten Salzburger Landes­ausstellung wertvolle Schützenhilfe: von unverhoffter Quantität und Quali­tät, unterstützten sie das Bestreben der Salzburger Archäologen, den weithin gering eingeschätzen Rang des Dürrn­

bergs zur Keltenzeit ins rechte Licht zu rücken.

Mengenmäßig übertreffen die Funde der vorrömischen Dürrnberg-Besied­lung sowieso die Grabungsergebnisse aller anderen Keltenzentren in Mittel­europa - und dies, obwohl bis dato kaum zehn Prozent der am Halieiner Salzberg vorhandenen Relikte vorge­schichtlicher Besiedlung gehoben wer­den konnten.

Qualitativ halten Spitzenstücke wie etwa die bronzene Schnabelkanne oder die jüngst entdeckte Röhrenschnabel­kanne aus Ton, singuläre Fibeln und auch die Helme durchaus internationa­len Vergleichen stand. So läßt sich heute nachdrücklicher denn je behaup­ten, daß der Dürrnberg einen der be­deutendsten Sammelpunkte keltischer Kultur, Kunst und Wirtschaft gebildet hat.

Sogar Salzburgs Fachwelt muß an­gesichts der allerletzten Funde ihre bis­herigen Thesen über Ausdehnung und Rang der keltischen Dürrnberg-Kultur nach oben hin korrigieren. An mehre­ren Stellen stießen heuer Straßenbau­fahrzeuge in Geländepassagen, die von den Archäologen bereits als „unver­dächtig“ freigegeben waren, in Wohn- und Bestattungsareale mit reichem In­ventar. Überdies entpuppten sich scheinbar natürliche Bodenerhebungen als eine Reihe hallstattzeitlicher Grab­

hügel von Durchmessern bis zu zehn Metern: von wahrhaft monumentalem Ausmaß also.

Schließlich stieß man unter einem Felsüberhang auf Steinwerkzeug und Gefäßreste der Zeit um 2200 vor Chri­sti Geburt. In dieser Gerätschaft und den Scherben vom Typus donauländi­scher Bandkeramik erkennt zwar Ernst Penninger - seines Zeichens Salzburger Landesarchäologe und Direktor des Halleiner Kelten-Museums - keine Anzeichen steinzeitlicher Dauerbesied­lung, doch immerhin Spuren vorüber­gehender Aufenhalte. Die solehaltigen Quellen des Dürrnbergs dürften wohl schon damals Menschen in seine un­wirtliche Anhöhe gelockt haben.

Alles in allem hat die Grabungskam­pagne des Ausstellungsjahres 1980 er­wiesen, daß manche bisher sekundär beurteilte Parzellen in Zukunft ebenso genau unter die Archäologenlupe zu nehmen sind wie die bereits als ergiebig gesicherten Fundstellen erster Ord­nung. Dabei sind nicht unerhebliche Reste vorkeltischer Besiedlung des Halleiner Salzbergs zu erwarten.

Schon früher hatten die Wissen­schaftler aus dortigen Funden geschlos­sen, der Dürrnberg sei Sitz hochgestell­ter Familien gewesen. Davon zeugen namentlich die inzwischen fünf Helme, die allem Anschein nach weniger Krie­ger-Ausrüstung als vielmehr Status-

Symbol herrschender Führerpersön­lichkeiten waren.

Nirgendwo sonst in Europa förderte man am selben Orte mehr als einen ein­zigen Helm zutage - daß man im Ein­zugsbereich der größten keltischen Salzgewinnungsstätte bereits deren fünf ausgrub, unterstreicht die Bedeu­tung ihrer einstigen Bewohner.

Dieser Rang kommt aber auch darin zum Ausdruck, daß beispielsweise das neuentdeckte Streitwagengrab mit sie­ben Lanzen und drei eisernen Streitbei­len als Beigaben europaweit alle Rekor­de schlägt: das bisherige Maximum wa­ren drei Lanzen in einer Grabstelle. Auf besondere Vornehmheit deutet schließ­lich auch ein heuer freigelegtes Grab mit Lanzenschwert, Eisenhelm sowie goldener Scheibenfibel.

Insgesamt betrachtet, beruhen un­sere vorläufigen Kenntnisse über die Kelten am Dürrnberg großteils auf den Bestattungsfunden. Erst ab 1981 wird man mit der wissenschaftlichen Unter­suchung der Siedlungsfelder beginnen. Die Frage, ob es sich bei einem jüngst zutage getretenen Kalkbrennofen mit drei Meter großem Felskrater um die erste von Archäologen-Schaufeln aus­gegrabene Gewerbe-Anlage keltischer Dürrnberg-Siedler handelt, muß daher wie noch so vieles andere künftigen Forschungen vorbehalten bleiben.

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