"Laudate Deum": Der Papst schreit auf - und man hört nur einen Teil
Der Linzer Moraltheologe Michael Rosenberger hat das neue Mahnschreiben "Laudate Deum" von Franziskus vorgestellt – dabei aber dessen scharfe Kapitalismuskritik ausgespart. Ein Gastkommentar.
Der Linzer Moraltheologe Michael Rosenberger hat das neue Mahnschreiben "Laudate Deum" von Franziskus vorgestellt – dabei aber dessen scharfe Kapitalismuskritik ausgespart. Ein Gastkommentar.
In der Darstellung des neuen Dokuments Laudate Deum (LD) von Papst Franziskus durch Michael Rosenberger, u.a. Umweltbeauftragter der Diözese Linz, ist besonders aufschlussreich, was nicht erwähnt wird: nämlich die klare Kritik des Papstes an der Logik der dominierenden ökonomischen und gesellschaftlichen Ordnung, des Kapitalismus.
Diese Kritik setzt die Linie des Vorgängerdokuments Laudato si’ und anderer Erklärungen fort, ja verschärft sie. Papst Franziskus stellt sehr direkt fest: „Bedauerlicherweise ist die Klimakrise nicht gerade eine Angelegenheit, die die großen Wirtschaftsmächte interessiert, die sich um den höchstmöglichen Profit zu den geringstmöglichen Kosten und in der kürzestmöglichen Zeit bemühen.“ (LD 13) Und er bekräftigt seine Kritik am „technokratischen Paradigma“ in der Enzyklika Laudato si’, indem er das Dokument zitiert: Es bestehe darin, „so zu denken, ,als gingen die Wirklichkeit, das Gute und die Wahrheit spontan aus der technologischen und wirtschaftlichen Macht selbst hervor‘ (LS 105). ‚Von da aus gelangt man‘ – als logische Konsequenz – ‚leicht zur Idee eines unendlichen und grenzenlosen Wachstums, das die Ökonomen, Finanzexperten und Technologen so sehr begeisterte‘ (LS 106).“ (LD 20)
Der Zwang zu ständigem Wachstum ist ein Kernprinzip des kapitalistischen Systems, das an die Grenzen der Belastbarkeit der natürlichen Lebensgrundlagen, aber auch der sozialen Grundlagen des Zusammenlebens stößt. Dass die Grenzen bereits überschritten sind, wird am massiven Artensterben und am Kollaps des planetaren Klimasystems deutlich.
Reduzierung der Natur auf ein Objekt
Die kapitalistische Ordnung ist Teil des umfassenden Paradigmas, das sich in Europa entwickelt und von dort aus seinen weltweiten Siegeszug angetreten hat. Zu diesem Paradigma gehört die Reduzierung der Natur auf ein Objekt, auf eine Ressource, die nur der menschlichen Macht zu Diensten ist (vgl. LD 22). „Alles, was existiert, hört auf, ein Geschenk zu sein, das man würdigt, schätzt und pflegt, und wird zum Sklaven, zum Opfer einer beliebigen Laune des menschlichen Geistes und seiner Fähigkeiten.“ (LD 22)
Papst Franziskus wendet sich gegen eine solche Haltung: „Entgegen dieses technokratischen Paradigmas sagen wir, dass die Welt um uns herum kein Objekt der Ausbeutung, der ungezügelten Nutzung und unbegrenzter Ambitionen ist.“ (LD 25) Der Spaltung „Mensch“ und „Natur“ gegenüber wiederholt er die Tatsache, die sich bereits durch Laudato si’ gezogen hatte: „Alles ist miteinander verbunden.“ (LD 19) Die französischen Historiker Christophe Bonneuil und Jean-Baptiste Fressoz („The Shock of the Anthropocene“, 2016) haben herausgearbeitet, dass diese Reduktion, die künstliche Schaffung einer externen, passiven Natur, die ausgebeutet werden kann, von Vertretern des frühen Industrialismus gezielt intendiert war - als weltanschauliche Voraussetzung für den Aufschwung der kapitalistischen Wirtschaft. Naturverständnis und Wirtschaftsform sind also eng verzahnt.
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