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Im Haus der Laune

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Bis 12. Juli ist die Festwochen-Ausstellung „Zauber der Medusa“ zu sehen. Gekonnt und raffiniert präsentiert sie höchst unterschiedliche Kunstwerke aus fünf Jahrhunderten.

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Bis 12. Juli ist die Festwochen-Ausstellung „Zauber der Medusa“ zu sehen. Gekonnt und raffiniert präsentiert sie höchst unterschiedliche Kunstwerke aus fünf Jahrhunderten.

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Als „Möglichkeitssinn par excellence“ (nach Robert Musil) bezeichnete Werner Hofmann, der Kopf des betörenden „Zaubers der Medusa“ , den Manierismus in seinem fulminanten Aufsatz zu „Manier und Stil in der Kunst des 20. Jahrhunderts“ aus dem Jahr 1955. Diese Definition der uneingeschränkten Possibilität erlaubte es Hofmann, seiner Meinung treu zu bleiben und diese in lust-

voller Schwelgerei in einer wahren Schaustellung zu verwirklichen.

Schatz- und Wunderkammern, Labyrinthe, Utopien und „Objektkästchen der Geisteskranken“ (nach Andrė Breton) wurden rücksichtslos geplündert, um einer neuferwachten Sammler-Obsession zu fröhnen.

Kunstwerke aus fünf Jahrhunderten mit wechselnden geographischen Entstehungsorten, wie Rom, Oberitalien, Fontainebleau, Niederlande, Paris, Prag und nicht zuletzt Wien, füllen beide Geschoße des Künstlerhauses. Hatte die Wiener Schule der Kunstgeschichte um 1920 den Manierismus nach Giambattista Ar-meninis „buona maniera“ des 16. Jahrhunderts als Stil- und Kulturphänomen erkannt, so verwundert die große Anzahl von Artefakten dieser Prägung gerade Wiener Ursprungs nicht weiter. Das Herstellen wie das Sammeln von Zweideutigem, Kuriosem, Kostbarem, Liebe und Tod Alle-gorisierendem. Phantastischem, in jeder Weise Übertriebenem liegt den Menschen Mitteleuropas wohl in besonderem Maße.

Das Ausstellungskonzept geht vom Manierismus des 16. Jahrhunderts aus und stellt Querverbindungen zu allen Manierismen bis in jüngst vergangene Zeit des 20. Jahrhunderts her. Theatralik, Poesie, Alchimie imd allgemeine Gelehrsamkeit prägen sowohl das angesprochene Stilphänomen wie das Ausstellungsprinzip. Meinte bereits Giorgio Vasari, daß sich die Kunst nach der Schaffenszeit Michelangelos in einer Periode des Niedergangs befände, so tadelte Giovanni Pietro BeUöri, der erste Kritiker des Manierismus, daß sich die Marüeristen von anderen den Geist ausborgten und fremde Formvorstellungen sklavisch übernähmen. Das bedeutet die subjektive Wahlfreiheit im Gestalten, Kunst aus Kunst, die Loslösung vom Naturvorbild.

Daneben wird ungestaltete Natur jedoch auch zum Artefakt emporgehoben, was einen spannungsvollen Dualismus beschwört. Der Dualismus wird im wechselseitigen Triumphieren von Mars und Venus, von Kriegsgott, Herrscher, Frevler, Schänder und Märtyrer auf der einen, und Allegorien der Liebe und Schönheit, wie Nymphe, Heilige und Kurtisane, auf der anderen Seite fortgesetzt. Das schaurige Bild der schlangenköpfigen Medusa, am eindrucksvollsten in einem Gerhälde von Peter Paul Rubens vorgetragen, dient als Aushängeschild.

Der so komplexen und damit auch vagen Vorstellung des Manierismus entspricht wohl am besten die im Ranftl-Zimmer eingerichtete Kunst- und Wunderkammer. Sie beherbergt unter tausend Schätzen einen in sich mehrfach verschachtelten Polyeder aus Elfenbein, eine magische Alraune, einen Gebirgspaß aus Korallen, Georg Hainz’ Gemälde eines „Kunstkammerschrankes“ von 1666 und manch anderen Augentrug; so etwa Anamorphosen, das philosophisch-artistische Spiel mit der Perspektive, bei dem ein Ausgangsbild durch Übertragung einzelner Punkte in ein konzentrisch-radiales Koordinatensystem verzerrt und dann durch das Spiegelbild eines in der Mitte stehenden Spiegelzylinders wieder entzerrt wird.

Phantastische Architekturentwürfe des 18. Jahrhunderts zeigen Häuser der Laune, wohl Häuser für Venus und Cupido.

Dadaismus, Surrealismus, Phantastischer Realismus und sogar Postmoderne setzen den uneingeschränkten Möglichkeitssinn fort: Eklektizismus wird zum Prinzip, das heißt zum Stil erhoben und damit sanktioniert.

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