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Pasolinis ödipus

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Wer Pasolinis Filme schätzt, muß nicht unbedingt auch etwas für dessen Theater übrighaben. Das Stück „Affabulazione oder Der Königsmord“, 1971 entstanden und in der Schweiz von Swinarski vergeblich geprobt, wurde nun als Eröffnung des „steirischen herbstes“ im Grazer Schauspielhaus uraufgeführt. Wenn diese Produktion ein Erfolg wurde, dann allerdings nur auf Grund der hervorragenden Inszenierung Peter Lotschaks, nicht aber wegen des Werkes selbst.

Diesem ist nun keineswegs etwa philosophische, denkerische Qualität abzusprechen; eher noch die dichterische, weil die stark monologisch eingesetzten Verse einem unerwarteten Pathos, das die Grenze zum Schwülstigen nur schwer ziehen läßt, verpflichtet sind. Der Zuseher, besonders wenn er das Textbuch nicht gelesen hat, ist kaum in der Lage, eine gedankliche Ordnung in der losen Szenenfolge ausfindig zu mächen. Die Handlung, wenn man von einer solchen überhaupt sprechen kann, ist in ihrem Kern den Filmen „Edipo He“ und „Teorema“ verwandt. Wieder geht es hier um Vaterhaß, um das ewige Ödipus-Thema, das in privater Weise in einer Mailänder Industriellenfamilie situiert wird. Der Vater mordet indes den Sohn, wie Väter das (nach Pasolini) eben immer tun, wenn sie einen Sohn nach ihrem Bild haben wollen und ihn durch Krieg, Gefängnis, Konzentrationsla-

ger töten. Es ist offensichtlich wohl eher die Tragödie des Vaters, die hier in Bildern und Sequenzen des Mythos sich ausspricht, die konsequent und intensiv in die gesellschaftliche und aktuelle Realität gestellt werden. Antiker Mythos, christliche Liebesbotschaft und Marxismus gehen in nur schwer differenzierbarer und letztlich auch schwer verdaulicher Weise ineinander. Autobiographisches vermischt sich mit Kritik am Gesellschafts-System — die Chiffren der Tiefenpsychologie sind hier nur schwer zu entziffern.

Dem Regisseur Peter Lotschak ist es zwar nicht gelungen, durch Striche im Text die Wirrnis der Dichtung zu lichten; was er jedoch auf der Bühne aus dem Vorwurf entstehen ließ, ist in respektabler Weise sehenswert und gibt in angenehmer Form dem Betrachter das Gefühl, daß hinter dem vorbeirauschenden Wortdunkel doch mehr steht als man vielleicht annehmen -würde. Seine Inszenierung ist eine erstaunlich fesselnde Demonstration theatralischer Vorgänge, die ebenso an die Ideen Artauds wie an den Stil Bunuels gemahnt. Die Bühnenbilder von G. M. Fercioni sind von seltsam kühler Farbigkeit und bestimmen weitgehend den positiven Eindruck von Lotschaks Inszenierung. Hannes Rie-senberger als Vater war der überragende Könner in einem an sich recht gut gewählten Ensemble.

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