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Digital In Arbeit

Die gute Idee

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Im Anfang war die Idee. Sie glänzte wie die Sonne. Und wie die Sonne jedermann beglückt, so wollte auch die Idee jedermann beglücken.

Da kam ein Mensch und fand die Idee. „Du gefällst mir“, sprach er. „Ich will dich mitnehmen.“ — „Ich darf dir aber nicht allein gehören“, erwiderte die Idee, „denn ich gehöre allen Menschen.“ — „Schon recht“, antwortete der Findėr, „mach dir nur keine Sorgen ...“

Aber es traf sich, daß der Mensch unterwegs einen anderen Menschen traf und diesem von seinem Fund erzählte. „Laß sehen!“ meinte dieser. „Wenn deine Idee brauchbar ist, so kaufe ich sie dir ab.“ Und da der Finder ein armer Schlucker war, verkaufte er ihm die Idee.

Der neue Besitzer war hocherfreut, denn das so billig Erworbene schien ihm ein Vielfaches des Kaufpreises wert zu sein. Da traf er seinen Gläubiger. „Ich will auf mein Geld nicht länger warten“, schnaubte dieser. „Entweder du bezahlst oder ich lasse dich einsperren!“ — „Ich habe das Geld nicht“, jammerte sein Schuldner, „aber dafür eine prächtige Idee. Sie wird mir die Schuld für dich einbringen.“ — „Laß sehen!“ erwiderte sein Gläubiger. „Wenn diese Idee wirklich etwas wert ist, so will ich dir deine Schuld erlassen und dir außerdem noch Geld bezahlen.“ Der Schuldner war froh, so billig davonzukommen und überließ seinem Gläubiger die Idee.

Dieser dachte: „Diese Idee wird wirklich ein gutes Geschäft.“ Und er verkaufte sie mit Gewinn an einen Geschäftsmann.

Der Geschäftsmann verkaufte sie an einen Bankier.

Der Bankier an einen Millionär.

Der Millionär steckte die Idee in sein einbruchssicheres, feuerfestes Stahlsafe.

Dort liegt sie noch heute.

Und kein Mensch auf der Welt hat etwas von dieser guten Idee ...

Der mutige Dichter

„Mut! Nur Mut!“ sagte der Redakteur beim ersten Besuch des Dichters. „Ich will mir Ihre Gedichte noch einmal vornehmen! Darin steckt etwas!“

„Mut! Nur Mut!“ sagte der Redakteur beim zweiten Besuch des Dichters. „Ich will Ihre Gedichte veröffentlichen! Haben Sie Geduld!“

„Mut! Nur Mut!“ sagte der Redakteur beim letzten Besuch des Dichters. „Denken Sie an die großen Dichter, die sich hungernd durchgerungen haben!“

„Er war der Mutigsten einer!“ rief der Redakteur erschüttert aus, als er die Kunde von des Dichters Tod erhielt. „Ihm muß endlich geholfen werden!“

Und er druckte fortan in jeder Sonntagsbeilage der Zeitung ein Gedicht des mutigen Dichters ab.

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