Dieser FURCHE-Text wurde automatisiert gescannt und aufbereitet. Der Inhalt ist von uns digital noch nicht redigiert. Verzeihen Sie etwaige Fehler - wir arbeiten daran.
„Spektakuläre" Modewörter
Wie in der Mode der Geschmack wechselt, gibt es auch im sprachlichen Bereich ähnliche Vorgänge. Modewörter hat es zu allen Zeiten gegeben: Sie sind plötzlich da, verschwinden wieder und werden durch andere abgelöst. Die Initiatoren bleiben anonym wie die Dichter von Volksliedern oder die Erfinder von Witzen.
Im Wienerischen wird das umgangssprachliche „tulli" (für sehr gut, ansprechend) immer seltener gehört, an seine Stelle ist „super" oder auch „Spitze" getreten. Unaufhaltsam setzt sich das Wort „echt" für wirklich oder tatsächlich durch: Es fehlt echt am Nötigsten, man interessiert sich echt für eine Ware, man konnte den Einbruch echt verhindern, diese Behauptung ist echt falsch.
Seit Ende des letzten Weltkrieges hat sich „genau" für „ja" zunehmend eingebürgert. Wo man geht und steht, trifft man auf dieses Wort. Sogar bei Neuinszenierungen oder bei Verfilmungen älterer Bühnenwerke findet man in den Dialogen das ursprünglich dort vorhandene „ja" durch „genau" ersetzt. Bald wird es dazu kommen, daß sich Brautleute bei der Trauung statt des Ja-Wortes das Genau-Wort geben. „Bisher" ist von „bislang" abgelöst worden, „an Ort und Stelle" von „vor Ort"; wenn man früher Tag und Nacht arbeitete, so werkt man jetzt „rund um die Uhr".
Hoch im Kurs steht das Wort „spektakulär". Es wird für nahezu alle Bereiche verwendet: ein spektakulärer Mord, eine spektakuläre Operation, ein spektakulärer Ausverkauf, ein spektakuläres Kunstwerk. Das Tor, das ein Fußballspieler erzielt, wird ebenso als spektakulär bezeichnet wie der Sturz eines Skifahrers oder Motorradrenners (alle Beispiele durch Presse. Rundfunk und Fernsehen belegbar).
Seit etlichen Jahren ist „integrieren" Mode geworden. Einstens war dieses Wort fast nur in der Mathematik üblich, es hieß: ein Integral berechnen oder einfach integrieren. Heute integriert sich jeder zweite in irgendetwas: in die Gesellschaft, in die Wirtschaft, in die Kultur. Jeder Dorfbürgermeister integriert sich, aber auch der Künstler oder Politiker: „Ich muß mich in die Gemeinschaft integrieren, damit ich mich vor der Öffentlichkeit ,artikulieren' kann und so mein ,Selbstverständnis' zum Tragen kommt". Ähnlich ist es mit frustie-ren, Frustration, Nostalgie, Eskalation, Infrastruktur und anderen Modewörtern.
Daß unsere Sprache mit englischen Ausdrücken überflutet wird, geht vielen schon auf die Nerven: city, party, hobby, lobby, stress, Job, boom, image, Publicity und Dutzende andere. Das Wort Technik wird nach amerikanischem Muster i mmer mehr durch Technologie verdrängt. Bald wird der Zahntechniker zum Zahntechnologen erhoben werden, der Fußballer Gerhard Ro-dax wegen seiner technologischen Fähigkeiten zu bewundern sein.
Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.
In Kürze startet hier der FURCHE-Navigator.
Steigen Sie ein in die Diskurse der Vergangenheit und entdecken Sie das Wesentliche für die Gegenwart. Zu jedem Artikel finden Sie weitere Beiträge, die den Blickwinkel inhaltlich erweitern und historisch vertiefen. Dafür digitalisieren wir die FURCHE zurück bis zum Gründungsjahr 1945 - wir beginnen mit dem gesamten Content der letzten 20 Jahre Entdecken Sie hier in Kürze Texte von FURCHE-Autorinnen und -Autoren wie Friedrich Heer, Thomas Bernhard, Hilde Spiel, Kardinal König, Hubert Feichtlbauer, Elfriede Jelinek oder Josef Hader!