Gott-lose Verfassung

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Die gemeinsame Position der Kirchen vor dem österreichischen Verfassungskonvent zeugt einmal mehr von der Lebendigkeit heimischer Ökumene - und transportiert wichtige Botschaften.

Da hat er sich, meinte er wohl, so stark gemacht für etwas, was ureigenstes Interesse der Kirchen sein müsste. Doch weil er ja "nicht kirchlicher als die Kirchen" sein kann, will - so die Tageszeitung Die Presse - auch Nationalratspräsident Andreas Khol nicht weiter für "Gott" in der österreichischen Verfassung kämpfen.

Ein wenig skurril war der Verlauf der Diskussion - auch wenn man mit dem vorläufigen Ergebnis zufrieden sein kann. Da wurde Kardinal Christoph Schönborn wiederholt mit Vorschlägen für einen Gottesbezug zitiert; als aber am 21. November die Kirchen vor dem österreichischen Verfassungskonvent sprachen, war davon keine Rede mehr. Die Kirchen äußerten sich mit einer gemeinsamen Stellungnahme, die von verschiedenen ihrer Vertreter vorgetragen wurde. Manche meinten, dass sich dabei die protestantische Sichtweise durchgesetzt habe, nicht zuletzt auch deswegen, weil der evangelische Bischof Herwig Sturm jenen Passus des gemeinsamen Papiers vorlas, in dem es heißt: "Einer besonderen Präambel in der Verfassung bedarf es nicht für die Berücksichtigung der kirchlichen Anliegen." Und damit, so eben auch Andreas Khols Lesart, ist ein verfassungsmäßiger Gottesbezug vom Tisch.

Hinter den Kulissen dürfte es dann wohl einige Debatten gegeben haben, denn letzte Woche legte Kardinal Schönborn in der Wiener Kirchenzeitung eine "Präzisierung" vor, in der er - falls der Verfassungskonvent doch eine Präambel vorsehe - "persönlich" für einen Text plädiert, wo unter anderem von "der Verantwortung vor Gott, den Menschen und der Schöpfung" die Rede ist.

Doch auch Schönborn bekennt sich weiter zur gemeinsamen Stellungnahme der Kirchen und betont, dass Gott nicht zum "Dekorationselement" einer Verfassung werden dürfe. Dieser Einschätzung ist voll zuzustimmen; und auch der Kirchen-Position, dass es einer Verfassungs-Präambel nicht bedürfe, kann viel abgewonnen werden.

Eine solche Position ist auch weitaus mehr als eine "protestantische" Sichtweise: Die Kirchen betonen in ihrer Stellungnahme zur Verfassung, dass dort das Grundrecht der Menschenwürde verankert werden soll. Auch da hat Kardinal Schönborn mehrfach geäußert, dass die Menschenwürde der entscheidende Gottesbezug sei.

Einerseits gehört zu den zentralen christlichen Glaubenssätzen ja das Jesus-Wort: "Was ihr dem geringsten meiner Brüder getan habt, das habt ihr mir getan." Indem die Kirchen ohne Wenn und Aber für die Menschenwürde eintreten, beziehen sie sich genau darauf.

Andererseits sind gerade (katholische) Christen mit dem Blick auf die Vergangenheit gehalten, bei der Vereinnahmung Gottes für ihre - menschliche - Verfassung doppelt vorsichtig zu sein. Zuletzt war hierzulande Gott in der Verfassung des Ständestaates ein Thema - und jeder Anklang an diese wenig rühmliche Zeit verbietet sich.

Auch von daher ist der implizite Gottesbezug via Menschenwürde ein völlig richtiger Ansatz, der überdies keine Gräben zu den Nichtglaubenden aufreißt.

Man mag - ob des geschilderten Lavierens - ein wenig zu optimistisch sein, aber das gemeinsame Auftreten der Kirchen vor dem Verfassungskonvent ist ein zweites vitales Zeichen einer neuen Qualität von Ökumene in Österreich. Vielleicht ist es noch zu früh, da von einem Paradigmenwechsel zu sprechen, aber die Kirchen präsentieren sich hier gemeinsam als Akteure der Zivilgesellschaft, die in wesentlichen Fragen mit einer Stimme sprechen können.

In diesem Sinn war ja auch das letzte Woche präsentierte Sozialwort der Kirchen ein Markstein. Es sieht zwar nicht so aus, dass die mediale Öffentlichkeit diese Dimension des Sozialwortes wirklich zu würdigen weiß. Aber die ökumenische Anstrengung, die sich gewiss nicht ohne Ecken und Kanten darbietet, kann nicht genug hervorgestrichen werden.

Und auch einäugige Kritik, dass es sich beim Ökumenischen Sozialwort bloß um platte Globalisierungskritik handle, sollte wenig Aufregung hervorrufen. Denn die im Sozialwort bekräftigte Kirchen-Option für die Armen (auch das ein Auftrag, der sich aus oben zitiertem Jesus-Wort ableitet) bedeutet ja, sich mit den Reichen und Mächtigen Österreichs wie der Welt anzulegen.

otto.friedrich@furche.at

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