Das Beziehungsgeflecht von Akteuren, Raum und Werkzeug steht im Mittelpunkt der Ausstellung "Architektur beginnt im Kopf. The Making of Architecture". Das Architekturzentrum Wien gewährt Einblicke in zwanzig Architekturbüros.
Wie kommen Architekturschaffende zu ihren Ideen? Was inspiriert sie? Gibt es Methoden, die ihre Kreativität ankurbeln? Und welche Rolle spielen dabei die Räume und Geräte, die sie benutzen? Um darauf Antworten zu finden, wählte Elke Krasny, die Kuratorin der Ausstellung "Architektur beginnt im Kopf", zwanzig Büros aus. Sie stehen beispielhaft für unterschiedliche Positionen, umspannen zeitlich fast hundert Jahre und geografisch die ganze Welt. Ihr Spektrum reicht vom katalanischen Einzelgänger Antoni Gaudí, dem großen Finnen Alvar Aalto, den französischen Puristen Lacaton & Vassal bis zu internationalen Firmen wie The Jerde Partnership aus Los Angeles.
Im Sommer 2006 machte sich Krasny auf den Weg in Ateliers, Werkstätten und Archive, um vor Ort ihre Forschungszelte aufzuschlagen und tiefere Einblicke in das wechselwirksame Beziehungsgeflecht von Akteuren, Raum und Werkzeug zu gewinnen. Die reiche Ausbeute dieser intensiven Recherche, bei der sie Gudrun Hausegger und Robert Temel unterstützten, ist nun im Architekturzentrum Wien zu sehen.
Eine breite Palette
Die Entwurfsansätze sind so vielfältig wie die Handschriften der Büros. Jedem kreierte die Szenografin Alexandra Maringer eine eigene Station, in der ausgesuchte Projekte, Gegenstände, Dokumentarfotos aus dem Atelieralltag und Interviews das Wesentliche der spezifischen Arbeitsweise vermitteln. Eine Aufnahme zeigt, wie die Schweizer Architektin Lux Guyer im Kreis ihrer Mitarbeiterinnen ein Modell mustert. Ihre Entwürfe aber machte sie allein, meist abends im Bett. Ihre Station ist wie ein Bett gestaltet. Man sieht ihr kleines Holzdreieck, den Zettelkasten mit gesammelten Zeitungsausschnitten, Postkarten und Notizen, die sie inspirierten, sowie Pläne vom Haus Saffa (1928).
In der Mitte der Halle wird eine breite Palette standardisierter Werkzeuge präsentiert: sie reicht vom etwa hundertteiligen Zirkelset aus der Zeit um 1900, einer Leihgabe des Deutschen Museums München, über Skizzierstifte aller Art bis hin zu Computerprogrammen. Ein Bildschirm zeigt ein Rendering der Ausstellungsarchitektur: auch sie wurde damit entworfen.
Aus aller Welt kamen außergewöhnliche Exponate. Die Rifle 22 ist das größte Gewehr, das in Frankreich ohne Waffenschein zu haben ist. Für die Architekten R & Sie(n) ist es ein Synonym für den Krieg, der sich tief in das kollektive Gedächtnis Koreas eingeschrieben hat. Als sie im dortigen Heyri ein Projekt planten, kauften sie das Gewehr, um damit auf ein Tonmodell zu feuern. Die Einschusslöcher erzeugten eine poröse Struktur, die digital nachbearbeitet wurde und die Basis ihres Projektes bildete. Das fertige Modell und seine Vorstufen sind in der Schau zu sehen.
SOM Skidmore, Owings & Merrill ist ein Büro der Superlative. 1600 Menschen arbeiten in diesem weltweit größten Think-Tank der Architektur. Unter anderem ist dort der Burj Dubai in Planung. Er soll der das höchste Gebäude der Welt werden. Um diese Rekordmarke zu halten, wird das Projekt sehr diskret behandelt: für die Ausstellung wurden Pläne, Skizzen und ein zartgliedriges, rotes Modell des schlanken Wolkenkratzers, das in Dubai für Windtests hergestellt wurde, nach Wien geschickt. Im Interview ist dazu noch mehr zu erfahren.
Das Atelier von Hermann Czech wirkt wie eine Bibliothek. Er durchforstet den Fundus der Baugeschichte nach Lösungen, die er analysiert und in die Gegenwart transformiert. Auf abstrahierten Bücherstapeln kann man sich in sein Hotel Messe Wien vertiefen. Im Edge Design Institut in Hongkong steht ein Tischtennistisch: dort wird gegessen, braingestormt, präsentiert und Ping-Pong gespielt. Oft legt Bürogründer Gary Chang Musik auf. "Eigentlich ist es auch mein Zuhause. Es ist eine Bibliothek, ein Club, ein Copyshop. Jeder Bereich ist transformierbar. Man fühlt sich, als wäre man auf einem sehr hohen Kreuzfahrtschiff." Lego-Steine gibt es dort auch massenhaft: sie entpuppten sich als sehr brauchbar fürs "Entwerfen auf der Überholspur". Konkurrenzlos rasch lassen sich damit Konzeptmodelle bauen, auch das Bürointerieur wurde so erst einmal sprichwörtlich abgesteckt. Viele faszinierende Entwurfsfelder sind hier zu entdecken, die Geschichten dazu liefert der Katalog.
Architektur beginnt im Kopf The Making of Architecture
Architekturzentrum Wien Museumsplatz 1, 1070 Wien, www.azw.at bis 2. 2. 2009, täglich 10-19 Uhr
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