Die Ausstellung "Lebt und arbeitet in Wien II" rückt die Arbeiten einer (willkürlich ausgewählten) Schar junger Wiener Kunstschaffender in den Blick.
Lebt und arbeitet in Wien": Ein einziger Satz verbindet eine Gruppe von 23 Künstlern, die derzeit in einer Ausstellung der Kunsthalle Wien zu sehen sind. Im dazugehörigen Katalog wird die Internationalität der Kunstschaffenden betont. Künstler haben heute meist mehrere Lebenszentren. Zumindest macht sich das in der Biografie gut. So heißt es etwa: Lebt und arbeitet in Wien "und in New York", "und in Los Angeles", "und in Berlin". Dass die Protagonisten dieser Präsentation von Gegenwartskunst mehr oder weniger austauschbar wären, geben auch Plakat und Katalog-Cover zu verstehen: Pinkfarbene Silhouetten stehen für die Präsentierten - durchnummeriert von 1 bis 23.
"Unbelastete" Selektion
Ausgewählt wurde die kleine Schar "junger Künstler" von einem internationalen Dreiergespann, das in wenigen Tagen unzählige Mappen sichtete und Ateliers besuchte, um sich mit dem "Blick von außen" ein Bild von der heimischen Kunstszene zu machen. Es ging um "eine Selektion, die unbelastet von Szeneverstrickungen und allzu großer Vertrautheit mit den handelnden Akteuren ist"- so die Argumentation der Kunsthalle für das fragwürdige Kuratoren-Modell. Dass dabei dennoch viele der ohnehin bekannten Jungstars wie Dorit Margreiter, Constanze Ruhm und Marko Lulic zum Zuge kamen, mag als Bestätigung der heimischen Ausstellungsmacher gewertet werden. Vielleicht weist es aber auch darauf hin, dass so etwas wie der objektive "Blick von außen" eine Illusion ist. Vor allem, wenn man nur wenige Tage in einer Stadt weilt und auf Informationen der hier ansässigen Kuratoren angewiesen ist.
Die Ausstellung selbst überrascht positiv. Dies liegt zum einen an der Qualität der einzelnen Arbeiten, zum anderen an der dominanten, aber spannenden Ausstellungsgestaltung des Architektenteams "propeller z". Mit dem sperrigen Baustellengerüst haben die Ausstellungsgestalter Zusammenhalt in die sonst disparate Schau gebracht. Das begehbare Gerüst lädt den Besucher auf mehreren Ebenen zur räumlichen Erkundung ein, öffnet immer wieder neue Blicke auf die Kunstwerke.
Weg mit Wagner-Jauregg
Besonders überzeugend sind im Kontext des "Gedankenjahres" jene Arbeiten, die tatsächlich auf die Stadt Wien, mitunter sogar auf deren Geschichte eingehen. Gleich zu Beginn der Schau macht Carola Dertnig in einem konzentrierten Video 32 Vorschläge zur Umbenennung eines nach dem Nobelpreisträger Wagner-Jauregg benannten Wiener Gemeindebaus. An Stelle des renommierten Arztes, dessen Naheverhältnis zum Nationalsozialismus erwiesen ist, soll an für Dertnig wichtige aber unterrepräsentierte - vor allem weibliche - Kunstschaffende erinnert werden. Leopold Kessler wiederum geht in einem amüsanten Video mit einem blauen Arbeitsmantel bekleidet durch die Stadt und macht unbemerkt Eingriffe an öffentlichen Einrichtungsgegenständen wie Bänken, Straßenlampen und Mülleimern.
Besonders subtil hat Nikolaus Gansterer sich in "Mnemocity" mit dem Thema Stadt beschäftigt. Bedruckte, zerschnittene Papierstreifen mit Textfragmenten vielfältiger Gedanken über Wien türmen sich zu einer dreidimensionalen Text-Skulptur. Ein Objekt, das den Babelmythos neu interpretiert, zugleich aber durch die begleitende Sound-Installation auf die Durchdringung von Schrift, Bild und Klang als Merkmal gegenwärtigen, urbanen Geschehens aufmerksam macht.
Arbeiten wie diese zeigen, wie viel spannender diese Schau sein könnte, hätte man gerade in dem politisch wie historisch brisanten Jahr 2005 stärkere Akzente gesetzt und bewusst subjektive Sichtweisen aufgezeigt. Das von einigen Künstlern ohnehin aufgegriffene Thema "Stadt" bzw. "Wien" lag eigentlich auf der Hand.
Lebt und arbeitet in Wien II
Kunsthalle Wien
Museumsplatz 1, 1070 Wien
www.kunsthallewien.at
Bis 14. 9. Do10-22 , Fr-Di 10-19 Uhr
Katalog: Lebt und arbeitet in Wien II Kunsthalle Wien, Wien 2005.
Deutsch und Englisch, 224 Seiten
mit zahlreichen Abbildungen, e 24,-.
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