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Konfrontation mit dem Ungewöhnlichen

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Ohne Österreich ist Hollywood undenkbar, ohne die Maders-bergsche Erfindung der Nähmaschine gäbe es weder die Poesie Lautreamonts noch das Hauptwerk Man Rays”, so die ironische und doch zutiefst ernste These des internationalen Ausstellungsmachers Harald Szee-mann zur bisher wohl faszinierendsten Millenniumsausstellung. Der Schweizer Kurator hat die österreichische Kultur- und Geistesgeschichte mit dem Blick eines Außenstehenden neu inszeniert. Er möchte den Österreichern eine neue Perspektive auf das kreative Potential ihres Landes vorführen. Dies ist ihm erstaunlich gut gelungen.

„Austria im Bosennetz” hat Szee-mann seine interdisziplinäre Schau in Anlehnung an Herzmanovsky-Orlan-dos „Der Gaulschreck im Rosennetz” genannt. Der Titel beinhaltet den dialektischen Ansatz, der dem Ausstellungskonzept zugrunde liegt: Das aus der skurrilen Sprache hervorgegangene Wort Rosennetz erinnert an die K.u.K-Welt. Dem gegenüber steht die englische Bezeichnung „Austria” als Zeichen für das Zeitgenössische in diesem 1 .and. Eine Stärke der Ausstellung ist die unkonventionelle und assoziative Zusammenstellung von Objekten aus unterschiedlichsten Disziplinen. Szeemann läßt die Objekte sprechen. Erklärt wird nichts. Die Konfrontation mit Ungewöhnlichem gehört zum Konzept. Den Auftakt bildet im Erdgeschoß eine Art „Wunderkammerwand”, vor der sich Hans Holleins Couch „Bergasse 19” genauso findet wie ein kupferner „Doppeladler mit Kreuz” aus dem 17. Jahrhundert. Der Hauptraum ist österreichischen Filmgrößen wie Erich von Strohheim, Billy Wilder, Fritz Lang und Peter Kubelka gewidmet. Umgeben von unzähligen Filmstils und Plakaten kann man hier auf einer der 40 teppichbelegten Bänke, einer Installation von Franz West, gemütlich Platz nehmen und die drei Filmprogramme genießen. Die Epoche der Habsburger wird aus ungewohnter Sicht gezeigt: Ein Modell des „Heldenbergs” erinnert an die Monarchie. Interessant ist die längst fällige Gegenüberstellung der Charakterköpfe von Messerschmidt und den Überzeichnungen von Abbildungen derselben durch Arnulf Bainer. Bewußt wird dem bekanntesten Kapitel österreichischer Kunst nur sehr wenig Platz gemacht: Klimt, Schiele, Kokoschka sind nur mit einzelnen Werken vertreten. Hingegen widmet Szeemann dem hier kaum bekannten österreichischen Tierporträtisten Aloys Zötl, einem Vorläufer Rousseaus, fast einen ganzen Raum. Zötls eigentümliche Tierwelt wird mit den unheimlichen, phantastischen Zeichnungen aus Kubins Frühwerk konfrontiert. Im Obergeschoß ist die Gestaltung besonders gelungen. Acht kubenförmige Räume zeigen das unterschiedliche Ringen österreichischer Künstler um neue Sprachen der Kunst. Ein Raum befaßt sich mit der Revolution des Tanzes durch Rudolf von Laban, andere mit den Utopien der Monte Veritä-Bewegung, dem Wiener Aktionismus und der Wiener Gruppe. Besonders beeindruckend ist der Eckraum, in dem die Foltermaschine aus Kafkas „Strafkolonie”, umgeben von unter die Haut gehenden Zeichnungen des heurigen Staatspreisträgers Günter Brus steht. Um die Kuben-Bäume gruppieren sich Werke älterer und zeitgenössischer Künstler wie Bruno Gironcoli, Maria Lassnig, Peter Kogler und Heimo Zobernig. Die Schlußwände des Obergeschosses huldigen mit einer leicht ironischen Porträtfotos- und Beliquiencollage den geistigen Größen dieses Landes.

Die Ausstellung hätte mit ihrem gewagten Konzept peinlich daneben gehen können. Sie ist es nicht. Gerade die spielerische und poetische Zusammenstellung ermöglicht Altes neu zu sehen und Unbekanntes im Bosennetz zu entdecken. (Bis 10. November)

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