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Architekturausstellungen — und was weiter?

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Galerie W ü r t h l e, Wien I, Weihburggasse 9: „Le Corbusier“, Ausstellung der Zentralvereinigung der Architekten.

Prof. Maurice B e s s e t, dem Leiter des Instituts Franęais in Innsbruck, ist es zu danken, daß diese Ausstellung nach Oesterreich gekommen ist, die den Lebensweg des revolutionären Schweizer Architekten von seinem „Domino-Haus“ bis zur Wohneinheit von Marseille, vom ersten Entwurf seiner „strahlenden Stadt" vor mehr als dreißig Jahren bis zu ihrer an die indischen Verhältnisse angepaßten Verwirklichung in Chandigarh, der wachsenden Hauptstadt des Pandschab, gut dokumentiert. Sie wurde zunächst in Innsbruck gezeigt — damals haben wir bereits ausführlich über sie und die Reaktionen, die sie im Publikum hervorrief, berichtet — und ging dann nach Graz. Der Initiative der Zentralvereinigung der Architekten ist es zu danken, daß sie nun nach Wien gekommen ist, wo wir sie in der Galerie Würthle sehen können. Sie soll dann nach Linz weitergehen.

Auf Einladung des Vereines für Museumsfreunde und der Zentralvereinigung der Architekten hielt Prof. Maurice Besset in Wien einen sehr informativen Einführungsvortrag, der dem interessierten Laien und Besucher der Ausstellung eine präzise Vorstellung der Gedankengänge und der inneren Dimension des Schaffens dieses genialen Anregers gab.

Die Wiener Presse registrierte beide Ereignisse, die Ausstellung und den Vortrag, in großer Aufmachung und referierte ausführlich über Wesen und Funktion der vielen Neuerungen in der Architektur, die auf Le Corbusier zurückgehen, von den „Pilotis“ bis zu seinen „Sonnenbrechern".

Dies sind die Fakten.

Sie sind sehr erfreulich. Weniger erfreulich ist dies: Der Zeitpunkt für eine kritische Auseinandersetzung mit den Arbeiten und Projekten Le Corbusiers scheint bei uns noch nicht gekommen zu sein. Wir wollen deshalb heute die — wenigen — kritischen Anmerkungen, die wir zu machen hätten (etwa zu Le Corbusiers geplanter Sanierung der Pariser Innenstadt und seiner Ablehnung von Tochter- und Satellitenstädten), zurückstellen.

Dies aber muß aus Anlaß der Le-Corbusier-Aus- stellung in Wien gesagt werden: Architektur ist keine Angelegenheit des Museums. Architekturausstellungen erfüllen ihren Sinn nicht darin, daß sie von möglichst vielen zeitaufgeschlossenen Laien besucht werden. Architekturausstellungen können nicht wie Schaustellungen versteinerter Fossilien, ausgestopfter Tiere oder wie Gemäldesammlungen besichtigt werden. Sie ollen nicht bestaunt, bewundert oder betastet werden. Sie fordern uns zu selbständigem Nachdenken und zu kritischer Stellungnahme heraus, denn ie sind al praktische Vorschläge, unser Leben neu zu gestalten, aufzufassen.

Architekturausstellungen bieten nicht irgendwelche Seltsamkeiten: was sie zu zeigen haben, ist nie

Selbstzweck, sondern immer unmittelbar auf den Menschen bezogen; auf jeden einzelnen, auf den, der die Ausstellung sieht, ebenso wie auf den, der sie nicht sieht.

Die in einer Ausstellung gezeigte Architektur als wertvoll und segensreich zu begrüßen, schließt die Verpflichtung in sich, mit allen Mitteln für ihre

Verwirklichung einzutreten: für ihre Verwirklichung hier und jetzt.

Wir können über die Ausstellung Le Corbusier nicht hinweggehen und sie nicht vorübergehen lassen, als wäre nichts geschehen. Wir dürfen nach ihr nicht weiterbauen wie bisher, unser Mittelmaß dürftig mit Marmor verkleidend. Wer hier nicht mehr mit kann, wem diese Ausstellung nichts gibt, wer aus ihr nichts lernen und keine Anregung gewinnen kann, der möge sich zur wohlverdienten Ruhe setzen. Und nichts mehr bauen.

Oesterreichisches Museum für angewandte Kirnst, Wien I, Weiskirchnerstraße 3: „Das neu

S c h u 1 h a u s“, Ausstellung des Oesterreichischen Werkbundes und der Zentralvereinigung der Architekten.

Vom Kunstgewerbemuseum der Stadt Zürich zusammengestellt und vor vier Jahren in Zürich gezeigt, gelangt diese Ausstellung nun auch zu uns. Sie zeigt in Großphotos und Grundrissen das Bild des neuen Schulhauses: gute und weniger gute, ebenerdige und mehrgeschossige Beispiele modernen Schulbaues in den USA, in Norwegen, in der Schweiz.

Das alte Schulhaus wollte nach außen wirken. Das Repräsentationsstreben machte es zur Zwingburg. Es hatte etwas Drohendes, das die Schulkinder erschreckte und einschüchterte. Das neu Schulhaus ist kleiner, hat viel Glas, wirkt heiter und sonnig. Es ist auf die Mentalität des Schülers abgestimmt. Selbst in schöpferischer Einheit gestaltet, will es mithelfen, die Gaben und Anlagen der Schulkinder zu wecken und zu entwickeln. In allem ist das Bestreben spürbar, den Schüler als „kleinen Menschen“ zu achten.

Viel gäbe es für unsere Architekten, die — vor allem in ländlichen Gemeinden — mit Schulbauten beschäftigt werden, zu lernen. Hoffentlich lernen sie.

Kurhaus der Stadt Baden: Planungen des Landes Niederösterreich. Eine Ausstellung des Amtes der niederösterreichischen Landesregierung, Landesbaudirektion.

Eine Uebersicht über die Regional-, Orts- und Verkehrsplanungen des Landes Niederösterreich, gedacht nicht als Anregung für Gemeinden und Architekten, sondern als Rechenschaftsbericht über ausgearbeitete Projekte und als Ankündigung vorgesehener Landschaftsumgestaltungen. Wir werden mit den Ergebnissen vieler sorgfältig durchgeführter Untersuchungen bekannt gemacht, aus denen nur leider, wie es scheint, zuweilen falsche Schlüsse gezogen wurden. Am besten gelungen erscheinen im allgemeinen die Planungen neuer Siedlungen, am wenigsten glücklich sind wir über einige „Lösungen“ des Verkehrsproblems. Am Beispiel einer Stadt werden wir, in einem eigenen Aufsatz Vorzüge und Fehler der mitunter einander widersprechenden Ortsund Verkehrsplanungen zu erläutern versuchen-.

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