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Maßstäbe

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Der Galerie „Autodidakt“ (Operngasse 9) ist ein ganz erstaunlicher Coup gelungen. Eine hervorragende Ausstellung vereint bis zum 23. April nicht weniger als 25 der schönsten Aquarelle und Zeichnungen Herbert Boeckls, dem hier noch in seinem Todesjahr ein würdiges Gedenken gesetzt wird. Was den offiziellen Stellen, deren Aufgabe sie eigentlich gewesen wäre, trotz ihrer Hilfsmittel nicht gelang, ist dieser kleinen Galerie gelungen, und Wien bleibt endlich einmal — wenn auch bedingt — erspart, wie so oft seinen größten Söhnen gegenüber nach dem Tod über das Selbstverständliche hinaus wenig Anstand, Takt und Mitgefühl erwiesen zu haben. Daß dies das alleinige Verdienst des einfallsreichen und zielstrebigen Leiters der Galerie, des Malers Robert Schmitt, und der großzügigen privaten Leihgeber ist, wird hoffentlich gewürdigt werden.

Die Ausstellung, deren Qualität einen Maßstab aufstellt, an dem in Hinkunft gemessen werden muß, zeigt Herbert Boeckl in allen Phasen seiner Entwicklung, von der noch im Umkreis des Sezessionsstils befangenen Bleistiftzeichnung „Bildnis Frau Paternioner“ aus dem Jahr 1918 bis zu dem den Natureindruck in lyrische Farbtektonik verwandelnden Aquarell „Über Venedig“ (1960). Sie beweist, daß der von der Akademie abgewiesene Autodidakt Herbert Boeckl von An. ing an ein Meister der Zeichnung war, dem es nie darum ging nur hübsche und unverbindliche graphische Blätter zu schaffen, sondern der leidenschaftlich bemüht war, mit den Mitteln der Zeichnung in direkter Auseinander setzung mit der Natur das Geheimnis der plastischen Form zu entschleiern. Denn daß Boeckl Form und Raum die essentiellen Ebenen der Auseinandersetzung vor allem in der Zeichnung waren, wird in dieser Ausstellung klar. Damit reiht er sich auch in die kleine Reihe der größten Zeichner dieses Jahrhunderts ein, denn Blätter, wie etwa der „Traubenteller“, das „Stilleben mit Fischen“, die „Tote Taube“, die „Gattin des Künstlers“ — um nur einige zu nennen -—, sind klassische und allgemeingültige Leistungen, neben denen alles verblaßt, was derzeit in Wien zu sehen ist und seit langer Zeit zu sehen war. Es wäre an der Zeit, daß dies hier bald begriffen würde und daraus Maßstäbe und Verpflichtungen erwüchsen. Eine absolut großartige Ausstellung die man sehen muß.

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