6740922-1966_41_03.jpg
Digital In Arbeit

Die Zukunft des Marxismus

Werbung
Werbung
Werbung

Eine andere Welt

Die Zukunft des Marxismus wird von der gesamthistorischen Weiterentwicklung abhängen, welche von den Ideen und Handlungen der Marxisten selbst mitbestimmt ist. Sind doch Marxisten entschlossen, die Welt nicht nur zu interpretieren, sondern auch zu verändern. Da es heute bereits etwa 45 Millionen in kommunistischen und Arbeiterparteien organisierte Marxisten gibt und ihre Ideen in Staaten herrschen, welche von einer Milliarde Menschen bewohnt sind, wird ihr Einfluß auf die Zukunft groß sein.

Die entscheidenden Gebiete der marxistischen Theorie und Praxis sind ihre politische Ökonomie; die revolutionierende Philosophie des dialektischen Materialismus; und der wissenschaftliche Sozialismus und Kommunismus, das heißt, die Lehre vom und die Politik des Befreiungskampfes der Arbeiterklasse beziehungsweise des Übergangs vom Kapitalismus zum Sozialismus, schließlich zum Kommunismus. Diese drei „Bestandteile des Marxismus“ sind einer ständigen Weiterentwicklung ebenso bedürftig wie fähig. Offenbar wirft sowohl die Gegenwartsökonomie des Kapitalismus wie die des Sozialismus neue Probleme für Marxisten aller Länder auf. Der moderne Kapitalismus hat sich — nicht zuletzt durch die Konfrontation mit dem Sozialismus — in mancher Beziehung (wenn auch nicht in seinem Wesen) gewandelt: das „Neue im Kapitalismus“ ist — wie die englische ökonomin Joan Robinson bemerkte — vor allem die Folge des wachsenden Einflusses des mit ihm koexistierenden Sozialismus. Diese Wandlungen mit marxistischen Mitteln exakt zu analysieren und zu prognostizieren, müssen die Marxisten lernen — besser als bisher.

Die Ökonomie des Sozialismus — eines radikal neuen Gesellschaftssystems — wissenschaftlich zu durchdringen und zu leiten, stellt den Marxismus vor weitere neue Probleme. Hochindustrialisierte sozialistische Staaten bedürfen für ihre Planung einer Datenverarbeitung und Variantenberechnung, die ohne Entwicklung neuer mathematischer wie ökonomischer Verfahren und ohne einen ausgedehnten Computerpark nicht zu bewältigen sind. Wie neue Impulse der Produktion geweckt werden können, wird zur Zeit in den sozialistischen Ländern erforscht und erprobt. Auch dies zu leisten, müssen die Marxisten — besser als bisher — lernen.

Die Philosophie des Marxismus — Integrierender Teil seiner Weltanschauung — hat die jeweils höchstmögliche Verallgemeinerung der erkannten Gesetzmäßigkeiten von Natur, Gesellschaft und menschlichem Denken zum Gegenstand und Ziel. Um zur Bildung einer konsequent wissenschaftlichen Weltanschauung und zur Orientierung der einzelnen Wissenschaften beitragen zu können, muß diese Philosophie zuvor den reichen Erkenntnisstoff der modernen Wissenschaften in sich aufgenommen und verarbeitet haben. Sie darf weder spekulieren, noch dekretieren. Sie hat, nach dem Ermessen des Marxismus, eine Zukunft, die sich so unermeßlich weit erstreckt, wie die der Wissenschaften selbst, welche sie nur zu bereichern vermag, indem sie von ihnen lernt.

Zur wissenschaftlichen Gesellschaftsbetrachtung trägt der Marxismus vor allem dadurch bei, daß er das gesellschaftliche Leben selbst weiterzuentwickeln bestrebt ist (und dadurch auch die Lehre von ihm). Die Bewegung der menschlichen Gesellschaft verläuft in der Richtung einer allmählichen „absoluten Herausarbeitung der schöpferischen Kräfte“ des Menschen (Marx). Zu diesen schöpferischen Kräften zählt auch das Erkennen, die Wissenschaft. Indem also der Marxismus zur Förderung der universellen materiellen und geistigen Produktionskräfte und menschlichen Produktionspotenzen beiträgt, schafft er, sich ständig an der Praxis korrigierend, die Voraussetzungen zur künftigen eigenen Entfaltung.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung