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Finnlands KP zersplittert

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Der Kongreß der KP Finnlands endete am Ostersonntag mit einer Katastrophe: Die starke Linksopposition, die bereits durch zwei Tage eine Art von Schattenkongreß abgehalten hatte, brach alle Verbindungen zur Mehrheitsgruppe der Partei ab und weigerte sich, mit ihr auch nur zu reden. Die sowjetrussischen Gastdelegierten, die pausenlos bemüht gewesen waren die feindlichen Brüder wieder zusammenzuführen, sich sonst aber jeder Stellungnahme enthielten, konnten gerade nur erreichen, daß der Beschluß, eine neue marxistisch-leninistische Partei zu gründen, hinausgeschoben wurde.

Finnlands KP befindet sich in einem Zustand der schwersten Zersplitterung. Es war seit langem bekannt, daß es innerhalb dieser Partei scharfe Gegensätze gab, die aus den verschiedensten Quellen gespeist wurden; sie darzulegen würde bedeuten, einen breiten Aufriß über die politische, wirtschaftliche und soziale Entwicklung in Finnland in den letzten 20 Jahren zu geben. Im Rahmen eines kurzen Berichtes muß man sich auf die mehr offen zu Tage liegenden Umstände beschränken. Mit der Wahl eines gemäßigten Parteivorstandes im Jahre 1966 begann auch die Partei die Linie einer Zusammenarbeit mit. den anderen politischen Parteien Finnlands einzuschlagen. Man entwickelte sich in der Richtung eines mehr national betonten Kömmunismus, lange vor dem „Prager Frühling“! Man sprach von der Revision des alten Partei-prograimmes, von einer Ansteuerung sozialistischer Ziele mit friedlichen Mitteln und von den „demokratischen Traditionen im Staatssystem Finnlands“, die es zu bewahren und zu erneuern galt. Man schlug versöhnliche Töne gegenüber den zwei anderen Arbeiterparteien an, erklärte sich bereit, an der Regierung teilzunehmen und trat sogar für die Durchführung des sozialdemokratischen Stabilisierungsprogramimes für Finnlands Wirtschaft ein. Die Führer dieser gemäßigten Linie waren der Parteivorsitzende Aarna Saarinen und der zweite Vorsitzende Erkki Salomaa, während der Generalsekretär der Partei, Ville Pessi, versuchte, die Verbindung zur Opposition aufrechtzuerhalten. Pessi, der sich nach 25 Jahren auf diesem Posten zum „großen alten Mann“ der KP entwickelt hatte, versuchte noch auf dem Osterkongreß durch eine Marathonrede von 51 maschingeschrie-benen Seiten die Gegensätze zu überbrücken, was ihm jedoch nicht gelang.

Innerhalb der Mehrheitsgruppe der Partei ist man davon überzeugt, daß die neue Linie der Partei ebenso notwendig wie erfolgreich gewesen war: Der 18 Jahre währende Zustand der Isolierung im politischen Leben Finnlands konnte beseitigt werden, man hat Einblick in die Staatsführung gewonnen und wertvolle Erfahrungen sammeln können und man hat zur Verbesserung der wirtschaftlichen Situation Finnlands beigetragen.

Die Linfcsoppositlon betrachtet all das mit großem Mißtrauen. Als das Zentralkomitee und das Politbüro der Partei die sowjetische Politik gegenüber der CSSR zu kritisieren begann, war die Revolte ein Faktum. Man beschuldigte die Parteiführung des Rechtsrevisionismus und des Verrates an den marxistisch-leninistischen Prinzipien, außerdem der versteckten Feindschaft gegenüber der Sowjetunion.

Auf dem Osterkongreß hatte die Opposition 221 von den 479 Delegierten; als ihr .„Schattenkongreß“ abgehalten wurde, verfügte sie immer noch über 160 Delegierte, die den wirklich harten Kern der Opposition darstellen dürften. Diese 160 forderten 25 von den 35 Plätzen im Zentralkomitee und weigerten sich, die angebotenen fünf Plätze anzunehmen.

In der neuen gemäßigten Parteileitung ist Arne Saarinen immer noch der Erste Vorsitzende, Erkki Salomaa ist sein Stellvertreter. Neuer Generalsekretär wurde Arvo Aalto aus Lappland (37 Jahre alt), dem man große organisatorische Talente zuspricht. Auch Ville Pessi ist noch im Zentralkomitee. und soll dort das Ressort Internationale Verbindungen leiten.

Die Opposition wird von dem früheren Parteiführer Aimo Aaltonen und dem Abgeordneten Tatsto Sini-salo geleitet. Viele Beobachter glauben, daß man auch eine Zusammenarbeit mit den sogenannten Simo-niten, den linken Sozialdemokraten, einleiten wird; auch die Simoniten haben den Rechtskurs innerhalb der Sozialdemokratie wiederholt scharf angegriffen.

Es kann angenommen werden, daß die unveränderte Beibehaltung der jetzigen Parteilinie und der Zusammensetzung des jetzigen Parteivorstandes (der keinen Linksoppositionellen enthält) zur Parteispaltung führen muß. Die gleiche Wirkung müßte die Annahme der oppositionellen Forderungen auf Aufhebung der Zusammenarbeit, einen verschärften klassenkämpferischen Kurs, eine stärkere Anlehnung an die sowjetische KP usw. haben. Die Rettung der Parteieinheit liegt also in einem Kompromiß, dessen Notwendigkeit man eigentlich auf beiden Seiten begreifen müßte. Den Russen ist die Haltung der Opposition sympathischer, doch sie hüten sich, das offen zu sagen, da sie gleichzeitig auch die Fortsetzung der Regierungszusammenarbeit

wünschen. Ob diese versöhnliche sowjetische Haltung siegt, wird man erst in einiger Zeit erfahren. Eine Parteispaltung würde die Mehrheitsgruppe sicher an die 100.000 Wählerstimmen kosten, die Linksmehrheit im Parlament verschwinden lassen und die jetzige Regierung hinwegfegen. Der „Prager Frühling“ hat also letzten Endes auch in Finnland zu schweren innerpolitischen Stürmen geführt!

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