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Innitzer-Gardist in Mauthausen

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Gegenüber dem Unrecht darf man nicht schweigen, wenn man es als solches erkannt hat. Dies war das Motiv vieler christlicher Widerstandskämpfer für ihren Einsatz gegen das verbrecherische NS-Regime. Obwohl ihnen die damit ' verbundenen Gefahren, wenn auch zunächst nicht im vollen Ausmaß, bewußt waren. Und so demonstrierten am 7. Oktober 1938 zahlreiche Katholiken vor dem Wiener Stephansdom für ihren Glauben und drückten in Sprechchören ihre Solidarität mit dem damaligen Wiener Erzbischof Kardinal Innitzer aus.

Einer der Teilnehmer dieser einmaligen Kundgebung, der damals 18jährige Hermann Lein, hat fast 60 Jahre später seine Erinnerungen niedergeschrieben und damit eine wichtige Dokumentation erarbeitet, die vor allem jüngeren Lesern empfohlen werden kann. Aber auch ein Zeitzeuge wie der Verfasser dieser Besprechung konnte daraus noch manches erfahren.

Lein wurde unmittelbar nach der Kundgebung verhaftet und nach brutalen Verhören bei der geheimen Staatspolizei und qualvoller Einzelhaft in das Konzentrationslager Dachau gebracht. Er kam zunächst in den Strafblock und hatte dort unter kaum vorstellbaren Bedingungen, beispielsweise in der Kiesgrube, schwerste Arbeit zu leisten. Lein hatte dort auch Kontakt mit dem späteren Bundeskanzler Leopold Figl, der bereits mit 151 Häftlingen des sogenannten Prominententransports vom 1. April 1938 nach Dachau gekommen war. Der Glaube an den endgültigen Sieg von Freiheit und Menschlichkeit, die Solidarität von Mithäftlingen, aber auch Glück, halfen diese schlimme Phase zu überstehen.

Im September 1939 erfolgte die Überstellung von Lein und seinen „Komplizen” nach Mauthausen. Auch hier blieb ihm nichts erspart, weder die Todesstiege noch der Steinbruch. Der Häftling Nummer 31.586 hatte zu dieser Zeit noch ein Gewicht von 42 Kilogramm, bei schwerster Arbeit und einer Verpflegung, die diese Bezeichnung nicht verdiente. Später arbeitete er als Schreiber und Häftlingspfleger unter etwas günstigeren Bedingungen.

Am 23. April 1940 erfolgte die Entlassung, die aber zunächst nicht die Freiheit bedeutete, da eine Einziehung des „Wehrunwürdigen” zu einer Strafeinheit der Hitler-Wehrmacht vorgesehen war. Die Überstellung in eine Strafeinheit wäre einem Todesurteil in die Nähe gekommen. Leins Gesundheitszustand war jedoch so schlecht, daß erst im September 1941 die Einstufung als „garnisonsfähig” und die Einberufung zu einer Sanitätseinheit erfolgte. Eine neuerliche Erkrankung führte schließlich im Sommer 1944 zur Entlassung aus der Wehrmacht. Leins Bruder Karl war bereits 1943 in Rußland gefallen.

Nach Kriegsende war Hermann Lein von Anfang an aktiv beim Wiederaufbau eines freien, demokratischen Österreich dabei. Es folgten Abendkurse, die Ablegung der Exter-nistenmatura, anschließend das Studium der Geschichte und Germanistik und schließlich 1949 die Promotion an der Wiener Universität. Zunächst war er als Lehrer tätig, 1963 erfolgte die Berufung in das Unterrichtsministerium, wo der ehemalige Dachau- und Mauthausenhäftling 1977 zum Leiter der Kunstsektion bestellt wurde, in der er sich große Verdienste erwarb.

Heute ist Hermann Lein unterwegs, wenn es darum geht, junge Menschen über die schlimmste Zeit Österreichs zu informieren und daraus auch die Gegenwartsverpflichtungen zu erkennen.

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