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Fronten in Bewegung

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bezahlten und mächtigen Beamtenkaste und einiger routinierter Partei- und Interessenverbändeführer! Diese Entwicklung wird “besonders für Schweden noch einige wirklich ernste Probleme schaffen, die weit schwerer wiegen dürften als die von verschiedenen rasenden Reportern so breitgetretene sogenannte Unmoral und Jugendkriminalität.

Achtzehn weise Männer

Die politischen Fronten in Finnland sind heute in voller Bewegung. Die abgesplitterten linkssozialistischen „Simoniten“ sind dabei, zur sozialdemokratischen Mutterpartei zurückzukehren; da der verbleibende Rest kaum eine Chance hat, bei den nächsten Wahlen noch ein Mandat zu erobern, wird er sich den Kommunisten anschließen oder die Bildung eines Wahlverbandes versuchen. Vertreter aller Linksparteien haben eine Vermittlungskommission der „achtzehn weisen Männer“ gebildet, die auch im Gewerkschaftslager eine Einigung erreichen soll, was allerdings infolge des Beharrungsvermögens auch kleinster Apparate schwer sein dürfte. Von führenden Sozialdemokraten wurde aufgefordert, die Spaltung endgültig zu überwinden, die Außenpolitik Kekkonens ohne Einschränkungen anzuerkennen und eine Zusammenarbeit der gesamten Linken anzustreben. Besondere Aktivität aber zeigt eine breite Gruppe von Intellektuellen, die eine völlige Neuorientierung der finnischen Parteienpolitik wünschen und aus derem Kreis zweifellos den alten Parteiführungen neues Blut und neue Gedanken zuströmen werden: Das neue politische Finnland setzt sich an, in die ersten Reihen vorzudrängen!

In einer politischen Diskussionsschrift, „Eingefrorene Forderungen“, nimmt eine ganze Gruppe dieser jungen Nachwuchspolitiker zur Gegenwartssituation und zu den dringendsten aktuellen Aufgaben Finnlands Stellung. Zu den Autoren gehören u. a. Ari>o Salo, einer der an-gesehendsten politischen Publizisten Finnlands, der Sozialdemokrat Doktor Pekka Kuusi, der bereite früher in öffentlichen Versammlungen eine Revision der sozialdemokratischen Politik verlangt hat, und der Linkssozialist Antti Eskola, der verlangt, die Kommunisten im Interesse Finnlands selbst von ihrer Isolierung zu befreien und sie der demokratischen Gesellschaft zu integrieren. „Durch die Aufnahme der Kommunisten in verantwortliche Stellungen werden sie gezwungen, sich den demokratischen Spielregeln anzupassen“, schreibt Eskola. Andere Autoren wieder weisen auf die schweren Nachteile hin, die der gesamten Linken durch ihre Zersplitterung und den Ausschluß von der Regierungsverantwortung erwachsen sind. Die regierende Agrarpartei habe wohl einige Reformen durchgeführt, die von der Linken gefordert worden waren, doch sie habe auch durch eine Politik ständiger Intrigen die Zersplitterung auf der Linken noch vertieft und „durch einen raffinierten Trick die Sozialdemokraten außenpolitisch und die Kommunisten innenpolitisch disqualifiziert“. Das aber sei vor allem die Politik Kekkonens gewesen, der auf diese Weise der Agrarpartei eine unverdiente Machtstellung im Staate verschafft habe!

Unbestrittene Außenpolitik

Gegen Kekkonens außenpolitischen Kurs hat man nichts einzuwenden, man bestreitet auch gar nicht die großen Verdienste, die sich der Staatspräsident um Finnland erworben hat, in innerpolitischer Beziehung aber ist Kekkonen allzusehr Parteipolitiker und Taktiker geblieben, zum Schaden des inneren politischen Lebens. In der letzten Zeit gerieten auch einige als „große Erfolge“ gefeierte Geschehnisse in das Scheinwerferlicht einer vorsichtigen Kritik, hier vor allem die Zurückgabe des Saima-Kanales durch die Sowjetunion an Finnland. In den politischen Zirkeln wird erzählt, daß eines Tages nach einer besonders gelungenen Festmahlzeit Chruschtschow den Einfall bekam, daß er sich den Finnen gegenüber als großmütig und generös erweisen müsse und er versprach Kekkonen, den Saima-Kanal zurückzugeben. Die überraschten Finnen konnten das Angebot nicht gut ablehnen, obwohl schließlich aus der Zurückgabe nur eine Verpachtung wurde, die Finnland auch noch bezahlen muß. Später stellte sich heraus, daß der russische Teil des Kanales schwere

Verfallserscheinungen aufwies und der Kanal als Ganzes den modernen Anforderungen nicht mehr entsprach. Nun ist man dabei, von 1500 Mann den Kanal modernisieren zu lassen und das wird der finnischen Staatskasse 190 Millionen Finnmark kosten!

Hat man an Kekkonen manches auszusetzen, so geht doch auch die Sozialdemokratische Partei nicht frei von Kritik. Man weiß, daß Moskau auch nach dem Abgang Väinno Tanners diese Partei mit besonderem Mißtrauen betrachtet, wobei in jeder Diskussion über die außenpolitische Zuverlässigkeit der Sozialdemokraten von russischer Seite so sicher wie nur irgend etwas das Stichwort „Natofreunde“ fällt. Nun haben sich wohl die Sozialdemokraten in der letzten Zeit wiederholt ausdrücklich zur Pasikivi-Kekkonen-Linie in der Außenpolitik bekannt, gleichzeitig pflegen sie jedoch einen engen Umgang mit sozialdemokratischen Parteien, die überzeugte Nato-Freunde sind. Ob mit oder ohne den Willen

der Finnen, so haben doch wiederholt sozialdemokratische Zeitungen und auch sehr bekannte deutsche Sozialdemokraten (die den Russen besonders gefährlich erscheinen!), die finnische Sozialdemokratie als ein Bollwerk gegen den Kommunismus bezeichnet und ihr eine Sonderstellung im Kampfe gegen Moskau zuerkannt. Schreibereien dieser Art

sind ebenso dumm wie verantwortungslos; als Ganzes können sie nur dem finnischen Volk schaden. Man kann es verstehen, wenn die Sprecher der neuen Linken mit einem Seitenblick auf ausländische „Bru-der“-Parteien seufzen: „Mit unseren Gegnern werden wir fertig werden, doch Gott behüte uns vor unseren Freunden!“

Die politisch so aktiv gewordenen Linksintellektuellen wünschen keine Einheitspartei jener Art, wie sie von den Kommunisten durch lange Jahre propagiert worden ist und unter keinen Umständen wollen sie selbst zu einer neuen Partei werden. Sie sprechen heute gern von einer „ökumenischen Linken“, die zusammenarbeiten, die Führung des Staates übernehmen und eine fortschrittlichdemokratische Politik führen soll. Die Stärke dieser Forderungen verdient alle Beachtung. Betrachtet man das Resultat der letzten Kommunal-

wählen, dann kann man sich sehr leicht vorstellen, daß schon im nächsten Jahr die Vertreter dieser Gedanken Gelegenheit haben können, manche Vorstellung in die Tat umzusetzen: Die vorerst theoretischen Diskussionen von heute können das kommende politische Gesicht Finnlands ahnen lassen. Das Schicksal der bürgerlichen Mittel- und Rechtsparteien aber wird davon abhängen, wie rasch und wie genau sie die großen Linien der Entwicklung erkennen und ihre Politik an ihnen orientieren!

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