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Verdächtige Eintracht

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In einer nur zweitägigen Debatte in der Parteidirektion, hat die DC ihre formelle Einheit wiedergefunden, auf der Grundlage des von Fanfani vorgeschilagenen gemeinsamen Nenners für Partei und Regierung. Ein so rasch erzieltes Einvernehmen zwischen Strömungen, die sich sonst so heftig bekämpfen, mußte Verdacht erwecken. Wie war es möglich, fragte man sich, daß ein Mario Scelba seine Unterschrift unter ein Dokument setzen konnte, das die Koalition mit den Sozialisten bejahte, die er durch Jahre hindurch bestritten hatte? Wie war es möglich, daß er in dem Dokument zu dem Gesetz über die staatlichen Kindergärten Ja sagte, während sein Artikel im „Centro” noch an allen Zeitungskiosken im Verkauf war und die diametral entgegengesetzte Ansicht vertrat? Den Linksparteien, die das zu bedenken gaben, antwortete der Parteisekretär der DC, Mariano Rumor, die Aktion der Regierung werde nicht durch eine Einzelperson, sondern durch das ganze Kabinett bestimmt, und bezüglich der Loyalität ihrer Minister übernehme die DC volle Garantie. Aber welche Garantie könne die Partei übernehmen, erwiderten die Sozialisten, wenn Fanfani erst einige Wochen zuvor gegen die eigene Regierung Stellung genommen hat und seine Leute, gemeinsam mit den Anhängern Scelbas, die eigene Regierung gestürzt hatten? Auf dem Programm steht die Durchführung der Regionalordnung. Aber hat nicht Scelba seit zehn Jahren gegen die Regionen geschx’ieben und gesprochen? Das ließ nur zwei Möglichkeiten zu: entweder einen ans Wunderbare grenzenden Sinneswandel, für den aber keine Anzeichen vorliegen, oder aber die Absicht, den rechten DC-Flügel in die Regierung zu schmuggeln, um den Reformwillen der dritten Regierung Moro au dämpfen, wenn nicht zu sabotieren. Das wäre der wahrscheinlichste Fall.

Wer „redimensioniert” wen?

Die Democrazia Criistiana blieb fest. Sie betrachtete die Überlegungen der Partner als Einmischung in ihre inneren Parteiangelegenheiten. Schließlich besteht auch bei den Sozialisten eine Fronde Lombardi, und auch die könnte an der Herbeiführung der Krise mitgewirkt haben. Das isit richtig. Nur mit dem Unterschied, daß Lombardi niemals die Mitwirkung in der Regierung verlangt hat, wie es Scelba und Fanfani tun. Mehr recht hat die DC, wenn sie auf erstaunliche und sehr beunruhigende Äußerungen der maßgeblichsten Exponenten bei den Sozialisten und Sozialdemokraten verweist. Bei deren letzten Kongressen konnte man immer wieder von einer „Redimensionierung” der DC als Ziel und Aufgabe der sozialistischen Wiedervereinigung hören. Das heißt, man nahm sich vor, den verbündeten Christdemokraten Wähler abzunehmen und sie um ihre Vorrangstellung als Partei der relativen Mehrheit zu bringen. Das Wort „Redimen- sianierung” ließ auch denken, daß die derzeitigen Dimensionen der DC nicht zustünden. Es ist das alles in einem Augenblick ausgesprochen worden, da man weniger an die Koalition dachte als daran, die Wiedervereinigung den eigenen Parteiangehörigen möglichst schmackhaft und anziehend zu machen. Das ist auch zum Teil gelungen. Die These von der Redimensionierung der katholischen Partei hat sogar Ric- cardo Lombardi gefallen, der bisher immer gegen die Wiedervereinigung im Sozialismus aufgetreten war. Aber es ist verständlich, daß auf der anderen Seite, bei der DC, entgegengesetzte Gefühle entstanden und zugleich eine sehr reale Besorgnis: die Linksparteien im Lande zu entwinden als eine Redimensionierung der Kommunisten anzustreben, jenes Ziel, um dessen Willen die DC sich zu der Operation „linke Mitte” im Jahre 1962 in Neapel entschlossen hat. Statt die demokratische Basis zu erweitern, könnten die Linksparteien der Koalition sogar einmal auf den Gedanken kommen, die DC mit Hilfe der Kommunisten zu entthronen. Aber auch ohne so weit zu gehen, stellt sich der DC heute ein wirkliches Problem: Welches werden die Beziehungen zwischen ihr und einer durch die Einigung größeren und stärkeren sozialistischen Koalitionspartner sein?

Keine Alternative

Trotz allen diesen Erwägungen steht fest, daß bei der gegenwärtigen Situation im Parlament keine Alternative für die linike Mitte vorliegt. Niemand hat sie dem Staatspräsidenten weisen können. Die Parteien werden notgedrungen wieder zusammenfinden müssen. Auch Scelba muß das anerkennen, und sogar auf dem Kongreß der Liberalen ist die Idee lautgeworden, daß man sich den Zeiten anpassen, reformieren und der Linken auwenden sodle, um aus der gegenwärtigen Isolierung und in der Regierungsmehrheit Aufnahme zu finden. Selbst der liberale „Corriere della Sera” hat eine bemerkenswerte Schwenkung vollzogen, indem er heute dem Cenitro sinistra wohlwollend gegenübersteht. Das heißt, auch die Wirtschaft hat eine Schwenkung vollzogen und ihren Nervenkrieg gegen die Formel aufgegeben.

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