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Ein Zwischenfall: Hochhuth!

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In dieser Phase gab es einige merkwürdige Vorkommnisse.

Zufall oder nicht, eben jetzt gelangte Hochhuts „Stellvertreter“ nach Rom und rollte als Apfel der Zwietracht zwischen die Koalitionspartner. Das vom Innenminister Emilio Taviani ausgesprochene Verbot des Stückes, in strenger Observanz der Konkordatsbestimmungen, machte die Sozialisten schamrot, brachte ihre latenten Minderwertigkeitskomplexe gegenüber den Kommunisten wieder an die Oberfläche. Vielleicht erklärt sich damit, daß sie in ihren Verhandlungen mit Moro plötzlich von einer wünschenswerten Revision des Konkordates redeten, obwohl sie wissen mußten, daß eine solche undurchführbar ist. Der Heilige Stuhl hat mehr als einmal erklärt, daß er das Konkordat als ein Ganzes betrachtet. Nehmen oder Lassen! Das Lassen bedeutet allerdings die Änderung der Verfassung, und die dazu notwendige Zweidrittelmehrheit ist nicht zu finden!

Noch schlimmer, was sich in Florenz ereignet hat. Der bei den Gemeindewahlen im November unterlegene katholische Bürgermeister Giorgio La Pira (er ist nicht Mitglied der DC) hatte jetzt seinen Posten dem Nenni-Sozialisten Lelio Lagono räumen müssen. Da sich die Parteien der „linken Mitte“ nicht zu einigen vermochten, wurde Lagorio mit den sechs sozialistischen und den 22 kommunistischen Stimmen zum Bürgermeister gewählt. Solche Volksfrontausschüsse gibt es in Italien mehrere, auch in nicht kleinen Städten. Aber Florenz ist sozusagen eine besondere Stadt, eine Art politischer Leuchtturm, und die christlichdemokratische Partei konnte den Bruch des Abkommens mit den Sozialisten nicht einfach hinnehmen. Es kam zu einem Kompromiß, Lagorio hatte zurückzutreten und die Kandidatur wurde La Pira angetragen, allerdings mit der Auflage, daß er, von den Parteien der Koalition gewählt, auf die kommunistischen Stimmen zu verzichten habe und in dem Augenblick zurücktreten werde, wo sie sich als ausschlaggebend herausstellen sollten. Nun befindet sich die „linke Mitte“ in Florenz in der Minderheit, wie übrigens auch die marxistische Front. Man konnte sich ungefähr ausrechnen, wann der Rücktritt fällig würde: bei der Annahme, beziehungsweise Ablehnung des Budgets im Juni. Doch scheint es nicht das gewesen zu sein, was Giorgio La Piro, in Zorn versetzt hat, sondern die Zumutung, daß er seine Florentiner Vergangenheit, die eine Vergangenheit des „Dialogs mit den Kommunisten“ ist, verleugnen solle. Er bezeichnete das ihm vorgeschlagene Kompromiß als „humoristisch“ und zog sich grollend in das Kloster von Camaldoli zurück.

Wir sind noch nicht am Ende: Die Sozialisten erklärten bei den Verhandlungen, daß sie die Schulreform des christlichdemokratischen Unterrichtsministers Luigi Gui, die unter anderem auch eine Regelung der finanziellen Unterstützung der privaten, das heißt katholischen Schulen in Betracht zieht, keineswegs zu akzeptieren bereit sind. Und ferner: sie würden absolut nichts daran finden, daß mit sozialistischen Stimmen auch Kommunisten in die europäischen Institutionen gewählt werden. Das eröffnet dem europäischen Parlament die Aussicht, auch italienische Kommunisten zu Mitgliedern zu haben, obwohl diese seinerzeit gegen die EWG und die Ratifizierung der europäischen Einrichtungen seitens Italiens gestimmt hatten.

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