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Pasternaks späte Lyrik

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Der hier vorliegende Band enthält, außer den Gedichten des Schiwago in neuer Übersetzung, den Zyklus „Wenn es aufklart“, die letzten Gedichte Pasternaks, die bisher im russischen Original nur teilweise publiziert wurden. Diese späte Lyrik des Dichters überrascht durch eine wunderbare innere Freiheit und Ausgeglichenheit, durch heitere Lebensbejahung, ja überquellende Lebensfreude.

„Grad so grundlos kam das Leben wieder

Wie sich’s damals unterbrach…“,

heißt es einmal. Und Pasternak nimmt es dankbar ans Herz, dieses „Allgeheimnis Leben“, mit seinen Höhen und Tiefen, seinen hellen und dunklen Erfahrungen.

Neben dem unerschöpflichen Lob der Natur im Wechsel der Jahreszeiten, der Erde, des Windes, des Schnees und Regens, neben neutestamentlichen Motiven und den Liebesgedichten des Schiwago, tauchen einige Gedanken wiederholt auf. Da ist zunächst das tiefe Bewußtsein der Verpflichtung des schöpferischen Menschen:

„Laß dich in Schlaf nicht gleiten, Wach, Künstler, bleib bereit:

Du bist der Ewigkeiten Geisel im Turm der Zeit.“

Und an anderer Stelle:

„Ich wollt’, ich könnte überall Zum Kern gelangen,

Im Werk, in meines Weges Wahl,

In Herzens Bangen.“

Sodann die bewußte Hinwendung zum Mitmenschen („Des Schaffens Ziel ist Selbsthingabe…“.). Und schließlich das Bekenntnis zum individuellen Dasein, das ja auch in Pasternaks Prosaschriften immer wieder durchbricht:

„Und keinen Deut von dem aufgeben, Was der Person gehören muß — Lebendig bleiben, nichts als Leben, Nichts als lebendig bis zum Schluß.“

Dank der hervorragenden Übersetzung Keils sind die Gedichte auch in der deutschen Fassung von köstlicher Frische und Ursprünglichkeit. Auffallend die Originalität der Betrachtung und Ausdrucksweise, die Klangfülle und Musikalität, die eindringlichen Bilder, der kräftige Rhythmus. Pasternak liebt das Nebeneinander dichterischer und prosaischer, aus der Umgangssprache übernommener Worte, ungewöhnliche Kontraste, kühne Metaphern, und erreicht damit sehr unmittelbare Effekte. Rolf-Dietrich Keil hat in seiner metrisch getreuen Übersetzung — die trotzdem viel flüssiger ist als die Reinhold von Walters im Schiwago-Roman — auch dem Deutschen fremde Elemente (Assonanzen, Zeilenausgänge mit dem Ton auf der drittletzten Silbe) beibehalten, um das Besondere dieser Dichtungen nicht zu verwischen Pasternak kannte die Übertragungen Keils und hat sie sehr bewundert. Sie lesen sich wirklich wie Originale.

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