6715590-1964_41_11.jpg
Digital In Arbeit

Eines langen Abends Totentanz

Werbung
Werbung
Werbung

Bewußt vermeidet man in der räumlichen Gestaltung des Zuschauerraums von Wiens neuer Kleinbühne, des Kammertheaters im Piaristenkloster, alles was nach „Keller“, Avantgarde und der vorsätzlichen Dürftigkeit roh verputzter Mauern, an die Wand geklebter Zeitungsausschnitte und ähnlichen pointierten Provisorien aussehen könnte. Man bemüht sich vielmehr, gepflegte intime Atmosphäre zu schaffen, vergißt nicht, daß die neue Bühne im alten Konvikt gewissermaßen im Strahlungsbereich des nahen Theaters in der Josefstadt liegt. Gerda Salzer, Schauspielerin und Choreographin, vor wenigen Jahren noch im deutschen Ensemble des Rumänischen Staatstheaters tätig, hat in Wien eine neue Heimat gefunden und suchte bald einen neuen Wirkungskreis. In den vergangenen Monaten tat sie sich mit einigen jungen Schauspielern und Schauspielschülern zusammen und begründete,

getragen von ihrer Theaternegeisterung und ihrem Idealismus, das Kammertheater, das nach den Intentionen der Leiterin, zum Unterschied von anderen Kleinbühnen als Repertoiretheater geführt werden soll.

Diesen Idealismus, der auch am Premierenabend deutlich fühlbar wurde, wollen wir gern anerkennen und gelten lassen, wenngleich er nicht für alle Mängel entschädigte, die zum Teil schon in der Stückwahl begründet sind. Manfred Hausmann, dem das deutsche Theater das poetische Spiel „Lilofee“ und den packenden „Fischbecker Wandteppich“ dankt, erwies bei der Wiederbelebung des mittelalterlichen Totentanzes in dem Mysterienspiel „Der dunkle Reigen“ eine weitaus weniger glückliche Hand. „Der dunkle Reigen“ ist ein Werk, das auf der Bühne nicht recht leben und nicht sterben kann, stellenweise von starker dichterischer Intensität, dann auf lange Strecken wieder nur mühsam alter- tümelnd, ganz zu schweigen von argen sprachlichen Entgleisungen wie etwa „klitzeklein“ und „Fiesematenten“. Zwölf Sterbliche tritt der Tod an, alt und jung, hoch und niedrig, König, Henkersknecht und Mönch, Buhlerin, Zigeunerin und Kind, zwölfmal reicht Freund Hein die knöcherne Hand und der Tanz hebt an, dessen letzte Schritte ins Grab führen.

Dies währt in der Inszenierung des Kammertheaters (Regie: Gerda Salzer) nahzu drei Stunden, mit ermüdenden Wiederholungen des Reigens, jählings abreißender Untermalungsmusik auf Tonband und sehr unterschiedlichen schau spielerischen Leistungen. Der Zuschauer ist fast versucht, in Gedanken die Toten nach der Reihe abzustreichen, wie bei Edgar Wallace, was doch nicht der Zweck der Übung solchen Spiels sein soll. Außer Hans Gratzer, der als Tod mit schwerem dunklem Wort das Geschehen beherrscht, sind aus der Zahl der Mitwirkenden drei junge Damen zu nennen, die schöne Talentproben boten: Liselotte Plauensteiner, Anna Maria Eckhofj und Irene Hanneck. Wie sich das Kammertheater weiter entwickeln wird, steht noch abzuwarten.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung