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125 Jahre im Dienste der Kärntner Slowenen

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Als Schulinspektor richtete Domkapitular Anton Martin Slomsek mit Genehmigung des bischöflichen Ordinariates und des Bischofs der Diözese Lavant mit Sitz in St. Andrä im Lavanttal am 6. Jänner 1845 eine Eingabe an das zuständige kaiserliche Gubernium in Laibach, einen Verein zur Herausgabe slowenischer Bücher zu genehmigen. Die Bitte wurde von den zuständigen Stellen in Wien und in Laibach mit Erlaß vom 29. März 1845 abgelehnt.

Anton Martin Slomsek wurde Bischof von St. Andrä (Diözese Lavant). Für den 19. April 1851 lud er Andreas Einspieler, Stadtpfarrkaplan und Religionsprofessor, Franc Zorcic, Spiritual im Priesterseminar, und Anton Janezic, Gymnasialprofessor, alle in Klagenfurt, zu einer Besprechung in seine Residenz in St. Andrä ein. Sie beschlossen neuerdings die Gründung eines Vereines. Am 27. Juli 1851 erschien in der Zeitschrift „Slovenska bela“ ein Aufruf an die slowenische Öffentlichkeit, in der die Gründung des St.-Hermagoras-Vereines zur Herausgabe guter Bücher bekanntgegeben wurde. Den Aufruf unterschrieben prominente Kärntner Geistliche und Laien: Andreas Einspieler, Stadtpfarrkaplan und Religionsprofessor, Josef Rozmann, Domkapitular in St. Andrä, Franz Zorcic, Spiritual im Priesterseminar, Anton Janezic, Gymnasialprofessor, Dragotin Robida, Theologieprofessor, Mathias Majar, Pfarrer, und Johann Lesjak, Dechant und Pfarrer. Man veröffentlichte die Statuten. Im Februar 1852 erhielt der Verein die behördliche Bestätigung.

Schon 1852 erschien die erste Büchergabe. Die Entwicklung ging zunächst aufwärts (1852 : 600 Mitglieder, 1853 : 884, 1854 : 978) und begann ab 1855 stark zu fallen (1855:947 Mitglieder, 1856 : 557, 1857 : 454, 1858 : 336 und 1859 nur mehr 236).

Dem damaligen Fürstbischof von Gurk Dr. Valentin Wiery und den Ausschußmitgliedern gelang es, den Verein in eine kirchliche Bücherbruderschaft umzuwandeln.

Es wurden neue Statuten erarbeitet, und Papst Pius IX. errichtete die Bruderschaft mit Sitz in Klagenfurt und bestimmte den jeweiligen Bischof von Klagenfurt zum Protektor (Errichtungsdekret vom 18. Mai 1860). Nun ging die Entwicklung ständig aufwärts. Die Bruderschaft erhielt ideelle und finanzielle Unterstützung von allen Bischöfen des slowenischen Sprachraumes Altösterreichs. Vom gläubigen Volke und der katholischen Intelligenz wurden die jährlichen Büchergaben begeistert aufgenommen. Die Auflagen stiegen von Jahr zu Jahr. In den Jahren 1860 bis 1870 brachte der Verlag 52 Bücher heraus.

Da in der Zusammenarbeit mit den beiden Druckereien Kleinmayr und Leon in Klagenfurt Schwierigkeiten entstanden waren, mußten die meisten Bücher bei Blaznik in Laibach gedruckt werden. Sämtliche Bemühungen des Ausschusses um eine eigene Druckereikonzession scheiterten sieben Jahre hindurch am Einspruch der beiden Druckereien und der Behörden von Klagenfurt. Erst am 19. 5. 1871 wurde der Bruderschaft die Konzession zur Führung einer eigenen Druckerei erteilt. 1896 wurde das heutige Verlags- und Druckereigebäude am Viktringer- ring errichtet, und 1918 erreichte die Bücherbruderschaft eine Mitgliederzahl von fast

100.000. Über eine halbe Million Bücher gingen jährlich unter das Volk.

1919 übersiedelte die Druckerei nach Prävali, später nach Cilli. Die Verlagstätigkeit in Klagenfurt wurde eingestellt. In der Diözese Marburg und in Görz wurden kirchlich selbständige gleichnamige Bruderschaften gegründet. Für Kärnten wurden die Bücher von Marburg-Cilli bezogen. Die Zahl der Mitglieder sank in Kärnten ständig ab und betrug 1936 nur mehr 1900. Im Jahre 1918 zählte die Bruderschaft in Kärnten 6036 Mitglieder.

1942 wurde die Bruderschaft als Verein aufgelöst, das gesamte Vermögen beschlagnahmt und jedwede Betätigung verboten. 1947 gelang es dem damaligen Obmann Prälat Valentin Pod- gorc, in langwierigen Rückstellungsverhandlungen das Vermögen zurückzubekommen. Es waren teils zerbombte, teils von der Besatzungsmacht beschlagnahmte Häuser.

Zwei Jahre später wurde die Verlagskonzession wiederum erteilt, und die Druckereikonzession wurde erst über Einschreiten der englischen Besatzungsmacht erneut gegeben. Mit 1. August 1951 begann der Verlag mit der eigenen Druckerei, die unterdessen ständig modernisiert werden konnte.

Für das Jahr 1948 brachte die Bruderschaft die erste Büchergabe heraus, zwei Bücher in einer Auflage von je 4050 Exemplaren. Die Mitgliederzahl bleibt seitdem beständig und betrug 1977 4020 in Kärnten und fast 4000 in den Übersee- ländem. Die jährliche Büchergabe besteht seit Jahren aus fünf Büchern. Die Bibliographie für die Zeit 1947-1961 weist 113 Druckwerke auf. Insgesamt dürfte die Bruderschaft seit 1947 weit über 300 Bücher in einer Gesamtauflage von über 1,000.000 Exemplaren herausgebracht haben.

Die Bruderschaft beliefert auch die Auslandsslowenen in Europa und den Überseeländern. Sie verlegt und stellt in ihrer Druckerei fast sämtliche Schul- und Lehrbücher für den Religionsunterricht und den Slowenischunterricht an den Pflichtschulen, den Mittelschulen und dem Bundesgymnasium für Slowenen her.

Die Verlagsarbeit ist weit gespannt: drei verschiedene Ausgaben der Heiligen Schrift, sämtliche liturgischen Bücher, verschiedene Gebetbücher, schöngeistige Literatur, Erzählungen und Gedichtbände noch lebender slowenischer Literaturschaffender in Kärnten, Übersetzungen aus der Weltliteratur, Bücher der geistigen und ideellen Orientierung, Kinderbücher, Kalender.

1953 nahm die Bruderschaft auch die Erziehung der studierenden Jugend und Führung von Schülerheimen in ihre Statuten auf. In Klagenfurt betreuen Ordensschwestern im 1974 erbauten Mittelschülerinnenheim 98 Mittelschülerinnen, Salesianerpriester in dem von der Diözese gemieteten ehemaligen Knabenseminar 132 Mittelschüler. In Wien wurde ein Hochschülerheim mit 90 Einzelzimmern errichtet, das gleichfalls von einem Geistlichen geführt wird.

Der religiös-kulturelle Einfluß der St.-Herma- goras-Bruderschaft ist heute aus dem Leben und Schaffen der slowenischen Volksgruppe in Kärnten nicht mehr hinwegzudenken.

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