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Abrüstung als Sozialproblem

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Von Mittwoch, 19., bis Freitag 21. Februar ist die slowakische Hauptstadt Bratislava/Preßburg Konferenzort der KSZE-Staaten zum Thema Konversion der Rüstungsindustrie. Termin und Ort wurden vom Konsultativausschuß des Zentrums für Konfliktverhütung der KSZE in Wien noch im September vergangenen Jahres vorgeschlagen.

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Von Mittwoch, 19., bis Freitag 21. Februar ist die slowakische Hauptstadt Bratislava/Preßburg Konferenzort der KSZE-Staaten zum Thema Konversion der Rüstungsindustrie. Termin und Ort wurden vom Konsultativausschuß des Zentrums für Konfliktverhütung der KSZE in Wien noch im September vergangenen Jahres vorgeschlagen.

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Es ist das erste Mal, daß das Zentrum ein Seminar außerhalb Wiens organisiert und zudem nicht in der Hauptstadt eines KSZE-Mitgliedstaates. Zum ersten Mal nimmt an einer solchen Tagung auch eine Delegation der NATO teil.

Ganz haben die Organisatoren auf Wien jedoch nicht verzichtet - ein Ball für die Teilnehmer war für Mittwoch in der Wiener Hofburg angesetzt. Im Rahmen der Konferenz, die vom tschechoslowakischen Außenminister Jifi Dienstbier eröffnet wurde, beraten Experten über „Verteidigungsaspekte der Konversion" und über „Ökonomische und soziale Aspekte der Konversion".

Ein besserer Ort als Bratislava konnte für diese Konferenz gar nicht gefunden werden. Es ist nämlich die Slowakei, die unter der Umrüstung der schweren militärischen Industrie besonders leidet. In einer relativ kleinen Region um die mittelslowakischen Städte Martin, Dubnica nad Vähom und Povazskä Bystrica sind seit zwei Jahren an die 60.000 Arbeiter, meist hochspezialisiert, in Gefahr, arbeitslos zu werden.

Sollte die Umstellung von der Föderativen Regierung der CSFR nicht so rasch wie möglich und stärker als bisher finanziell unterstützt werden; sollten auch Umrüstungsprojekte mit ausländischen Firmen (vier mit den USA, Gespräche mit der deutschen Hannomag und der italienischen Lombardini) scheitern, werden noch weitere 20.000 Arbeiter der slowakischen Rüstungsindustrie auf der Straße stehen.

Eine Umstellung auf Traktoren-Produktion oder schwere Dieselmotoren ist nicht nur kostspielig, sondern erfordert auch einige Zeit und einen guten Markt. Geduld ist ebenso gefordert. Für einen Panzer müßten die Slowaken mehr als 80 Traktoren oder 60 Straßenmaschinen des Typs Hannomag produziert - und verkauft werden.

Die slowakische Rüstungsindustrie (in der tschechischen Republik wurden immer nur leichte Waffen erzeugt) hat auf ihrem Konto wahrscheinlich einen Weltrekord: In etwa tausend Tagen hatte sie einen Rückgang um mehr als 60 Prozent zu verzeichnen.

Mit Bewunderung quittieren ausländische Ökonomen die Tatsache, daß die slowakische Wirtschaft infolgedessen noch nicht gänzlich zusammengebrochen ist. In der Slowakei wird auf das Beispiel Frankreichs verwiesen: Für seine Konversion der Rüstungsindustrie habe die Grande Nation ganze 20 Jahre gebraucht -allerdings mit einem Rückgang von nicht mehr als zwölf Prozent pro Jahr.

Der wahrscheinlich letzte Waffendeal der CSFR - 250 Panzer für Syrien - ist auch gefährdet. Zuerst wurde die deutsche „Godwind", danach ein dänischer Frachter angehalten und ins polnische Stettin zurückgeschickt. In diesen Tagen werden die Panzer auf ein polnisches Schiff umgeladen. Ob dieses sein Ziel erreichen wird? Zehntausende Arbeiter in der Mittelslowakei hoffen es. Auf dem Schiff befindet sich ihr Monatslohn.

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