Dieser FURCHE-Text wurde automatisiert gescannt und aufbereitet. Der Inhalt ist von uns digital noch nicht redigiert. Verzeihen Sie etwaige Fehler - wir arbeiten daran.
Die neue Polarisierung
Seit vergangenem Sommer wird heftig über die Gründung einer neuen liberalen Wirtschaftspartei spekuliert. Sollte sie Erfolg haben, bedeutet das aber mehr als nur die Etablierung einer fünften politischen Gruppierung in Österreich.
Seit vergangenem Sommer wird heftig über die Gründung einer neuen liberalen Wirtschaftspartei spekuliert. Sollte sie Erfolg haben, bedeutet das aber mehr als nur die Etablierung einer fünften politischen Gruppierung in Österreich.
Anläßlich des Dreikönigstreffens der ÖVP ist endgültig klar geworden, daß es sich bei der Diskussion um die Notwendigkeit einer liberalen Wirtschaftspartei nicht bloß um politisches Taktieren gehandelt hat, sondern um handfeste Pläne unter der Führung des Vorarlberger Unternehmers Martin Zumtobel (Chef über die „Teilorganisationen" Dogro, Familia und Köck).
Die Einschätzungen und Beurteilungen einer solchen Partei waren unterschiedlich und reichten von „keinerlei Bedarf (VP-Präsident-schaftskandidat Thomas Klestil) über „keine beunruhigende Konkurrenz" (Bundeskammer-Präsident Madertha-ner) bis hin zu der eindeutig-positiven Beurteilung von Peter M. Lin-gens in der „Wirtschaftswoche" (21 1992).
Druck gegen Kartelle
Lingens ist für eine solche Partei, denn „grundsätzlich fehlt im Parteienspektrum eine Gruppierung, die sich ohne Rücksichten für eine wirklich liberale Politik einsetzt", also druck-und wirkungsvoll gegen Kartelle, Monopole, Verfilzungen und Schlak-ken in der so marktfeindlichen österreichischen Gesellschaft kämpft.
Dieser Argumentation kann man vieles abgewinnen. Es ist wahrscheinlich gut und richtig für unser Land, wenn die Stimmen derer, die sich für wirtschaftliche Modernisierung und Professionalität einsetzen, pointierter und markanter erklingen als das jetzt im Rahmen der vier bestehenden
Parteien der Fall ist.
Allerdings ist damit nicht schon alles gesagt. Sollte die neue Partei tatsächlich Erfolg haben, dann geht es um mehr als eine quantitative Änderung der österreichischen Parteienlandschaft von vier auf fünf Gruppierungen. Es geht nämlich um nichts weniger als die bisherigen Geschäftsgrundlagen der Zweiten Republik. Diese waren eine Schöpfung der beiden großen Lager der Ersten Republik, gekennzeichnet vom Willen zur Zusammenarbeit auch in
den Zeiten der ÖVP- und SPÖ-Al-leinregierung. Nur wo das nicht ging, machte man von der Mehrheitsmacht Gebrauch, um die eigenen Vorhaben durchzusetzen (Steuer- oder Strafrechtsreform, Abtreibung.,.)
Raab, Karnitz, Klaus brachten Liberalität und „Sachlichkeit" in die ÖVP, durch Kreisky und Vranitzky wurde die SPÖ links-liberal, großbürgerlich, bankmännisch-moderni-
stisch. Zu „Innovationen" wurden Pro & Porz GmbH-Regierungen (mit einer bestens funktionierenden Sozialpartnerschaft im Hintergrund) nur durch äußere Einflüsse gezwungen, zuletzt durch die Binnenmarktpläne der Europäischen Gemeinschaft.
Zwei politische Welten
Schon das Aufkommen der Grün-Alternativen paßte nicht in diese geordnete Landschaft. Wenn aberjetzt noch eine Wirtschaftspartei dazukommt, dann haben wir in Österreich das typische Gegenüber jener zwei Welten, die für Ronald Inglehart und andere Propheten des Postmaterialismus den Übergang zu einem neuen Zeilalter markieren: Hier die Partei der (Groß)Unternehmen, des Rationalismus, der Techno-Strukturen, der Vermehrung des Wohlstandes und der Supermärkte. Dort die Verfechter von Solidarität, Zuwendung, Ökologie und Lebensfindung, Gewaltfrei-heit und Basisdemokratie.
Wenn Zumtobels Experiment gelingt, dann könnte tatsächlich eine Polarisierung von „Altparteien" und „neuen Kräften" eintreten. Aber in einem anderen Sinn, als Jörg Haider das immer proklamiert...
Es ist jedenfalls nicht zu früh, sich auch darüber Gedanken zu machen. Das gilt besonders für diejenigen, die innerhalb der ÖVP jetzt verärgert schweigen, oder innerhalb der SPÖ erwartungsvoll-schadenfroh auf den Zerfall ihres politischen Gegners warten, oder diej enigen, die früher „Wortführer" für eine neue Partei waren; Es gilt auch für jene Minderheit, der die Grundlagen unseres Gemeinwesens ebenso wichtig sind, wie veränderte Wahlchancen einer Partei.
Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.
In Kürze startet hier der FURCHE-Navigator.
Steigen Sie ein in die Diskurse der Vergangenheit und entdecken Sie das Wesentliche für die Gegenwart. Zu jedem Artikel finden Sie weitere Beiträge, die den Blickwinkel inhaltlich erweitern und historisch vertiefen. Dafür digitalisieren wir die FURCHE zurück bis zum Gründungsjahr 1945 - wir beginnen mit dem gesamten Content der letzten 20 Jahre Entdecken Sie hier in Kürze Texte von FURCHE-Autorinnen und -Autoren wie Friedrich Heer, Thomas Bernhard, Hilde Spiel, Kardinal König, Hubert Feichtlbauer, Elfriede Jelinek oder Josef Hader!