6822228-1973_43_17.jpg
Digital In Arbeit

Ein abgekühltes Verhältnis

Werbung
Werbung
Werbung

Man versteht es eigentlich heute nicht mehr recht, was den Uraufführungserfolg von Ernst Kreneks Oper „Orpheus und Eurydike“ 1927 in Dresden ausgemacht hat. Denn das 1916 geschriebene Drama Oskar Kokoschkas und Kreneks ab 1922 komponierte Musik haben weitgehend das „Aufrührerische“, die expressionistische Exaltation, die fraglos dahinter stand, eingebüßt. Oder sollte lediglich Hans Hartlebs Inszenierung für den „Steirischen Herbst“ in der Grazer Oper daran schuld sein, daß diese österreichische Erstaufführung des Werkes so farblos, ohne alle theatralische Intensität über die Bühne ging?

Kokoschkas stürmisches Verhältnis mit Alma Mahler, der Witwe Gustav Mahlers, aufreibende Skandale, Verzweiflung, die mit Kokoschkas Flucht zum Militär endete: das ist

• Wie im Rundfunk und in der Tagespresse gemeldet, wurde der Nobelpreis für Literatur dem australischen Dichter Patrick White zuerkannt. Er selbst war davon nicht überrascht — wohl aber der Präsident des dortigen Schriftstellerverbandes, der die Laudatio der Schwedischen Akademie als „übertrieben“ bezeichnete.

der Hintergrund dieses „Orpheus“-Dramas. Ein autobiographisches Werk, dessen griechische Metapher „Allos makar“, das heißt „Glück ist anders“, leitmotivisch eingesetzt ist und zugleich die Scharade für „Oskar“ und „Alma“ darstellt. Ein Thema voll Leidenschaft, Sensation, Hysterie, die Kokoschka hier abreagierte und deren Darstellung auf der Musikbühne sich der Operndebütant Krenek mit einem gewissen Staunen und viel Neugier für die erotischen Geheimnisse und Verschlüsselungen näherte.

Gerade diese pralle Heftigkeit des Werks geht in Hartlebs Inszenierung völlig verloren. Sie erschöpft sich im statischen, ein bißchen blutleeren Theater ohne großen Schwung, ohne Gefühlszwischenwerte. Nur in einer einzigen Szene des zweistündigen, ohne Pause aufgeführten Werks geraten die Hauptdarsteller, die mit viel Einfühlung, wenn auch nicht immer ganz überzeugend singende Nelli Ailakowa und der etwas überforderte Horst Hoffmann, übers Klischee hinaus; dort, wo Kokoschka den Schluß des Mythos dramatisch entwirrt: Selbst schon fast im Schattenreich, wollen Orpheus und Eurydike sich voneinander befreien. Nachdem er sie mit dem Messer bedroht

und mit seinem^ Haß erneut in die Unterwelt zurückgestoßen hat, kehrt sie nach sieben Jahren wieder und erdrosselt ihn...

Kreneks Musik, vorwiegend lyrisch getönt und voll von reizvollen Kan-tilenen und zart getönten Stimmungen, fehlen die großen Steigerungen. Und auch der Dirigent Hector Urbon vermag in diese korrekt erarbeitete Aufführung keinen Elan, keine dra-

matische Intensität zu bringen. Und man empfindet die Szenen um so kontrastärmer, als auch der Bühnenbildner Ekkehard Grübler sein Publikum optisch kaum verwöhnt: ein Spitzenvorhang, eine verbeulte Blechwand, flatternde Tücher reichen für dieses Stück nicht aus, in dem Sinnlichkeit und deren Sublimierung packend dargestellt werden sollen.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung