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Gegen Kekkonen

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Finnland steht vor dem Beginn eines Wahlkampfes, der aller Voraussicht nach der längste, bitterste und dabei unnötigste sein wird, den man jemals in diesem Land der vielen politischen Krisen geführt hat. Die außerordentlichen Parlamentswahlen werden am 2. und 3. Jänner 1972 stattfinden, es wird aber deshalb keinen weihnachtlichen Burgfrieden geben.

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Finnland steht vor dem Beginn eines Wahlkampfes, der aller Voraussicht nach der längste, bitterste und dabei unnötigste sein wird, den man jemals in diesem Land der vielen politischen Krisen geführt hat. Die außerordentlichen Parlamentswahlen werden am 2. und 3. Jänner 1972 stattfinden, es wird aber deshalb keinen weihnachtlichen Burgfrieden geben.

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Ahti Karjalamens Regierung war die 53. in der Geschichte der Republik Finnland und sie ist auch Im 53. Lebensjahr der Republik gefallen. Daß diese Regierung zurücktreten und durch ein Beamtenkabd- nett unter der Leitung des Oberbürgermeisters von Helsingfors, Teuva Aura, ersetzt werden mußte, ist nicht nur eine Niederlage für Karjalatnen und den hinter ihm stehenden Präsidenten der Republik Urho Kekkonen. Das muß das Selbstbewußtsein des Präsidenten hart getroffen haben, hatte er doch bis in die letzte Stunde hinein versucht, die auseinanderstrebenden Kräfte zu einem Kompromiß zu bewegen. Doch das Klasseninteresse war stärker als die politische Vernunft. Die Verbände der Landwirtschaft forderten unbeirrt volle Kompensation für die Einkommenserhöhun- gen, die den Industriearbeitern zuteü geworden waren und die von ihnen auf 22% in den letzten zwei Jahren berechnet werden — eine Berechnung, deren Richtigkeit von fast allen nichtagrarischen Fachleuten bestritten wird. Karjalainens Zentrumspartei sah schließlich keinen anderen Ausweg aus dieser Situation als die Auflösung der Regierung und die Ausschreibung von Neuwahlen, lauerte doch im Hintergrund die Landvolkspartei des Außenseiters Veikfco Vennamo, der bereits in der letzten Wahl der Zentrumspartei viele schöne Mandate abgenommen hatte und der es glänzend versteht, die Unzufriedenheit der Bauern für seine Zwecke auszunützen.

Auf der Strecke geblieben ist die Politik der inneren Versöhnung und Zusammenarbeit, die 1966 mit dem Amtsantritt der Regierung Paasio eingeleitet worden war. Damals war es Präsident Kekkonen gelungen, die Zentrumspartei, die Sozialdemokraten, den Sozialdemokratischen Verband („Simoniten“) und die Volksdemokraten (bei denen die Kommunisten der dominierende Faktor sind) zur Bildung einer Koalitionsregierung zu bewegen. Diese Koalition zerbrach im Frühjahr dieses Jahres mit dem Austritt von drei volksdemokratischen Ministern aus der Regierung Karjalainen.

Wenn Karjalainen und seine Par- tei-reunde die demagogische Agitation der Vennamo-Leute fürchten, so fürchten die Sozialdemokraten nicht minder die Agitation der Kommunisten in den Betrieben. Die Zu stimmung zu einer Erhöhung der Lebensmittelpreise, und dies in einer Zeit der weichenden Konjunktur, hätte die Stellung der Sozialdemokraten bei den Wählern stark schwächen müssen. Es erschien taktisch klüger, um dieser Frage willen eine Parlamentsauflösung und eine Neuwahl zu riskieren. Die Sozialdemokraten, die mit 52 Sitzen im alten Parlament die stärkste Partei waren, gehen mit großen Hoffnungen in den Nahkampf mit den Kommunisten, die zudem die Entwicklung in der Zusammensetzung der Bevölkerung gegen sich haben. Die Waldgebiete im Osten und im Norden des Landes, in denen sich früher die stärksten Bastionen der Kommunisten befanden, werden ja mehr entvölkert und viele der Fortgezogenen suchten sich außerhalb des Landes eine neue Heimat.

Auch die Zentrumspartei hofft, daß sie in der kommenden Wahl die immer mehr nach rechts tendierende Landvolkspartei Venna’mos Zurückschlagen und ihr einige der früher verloren gegangenen Mandate wieder abnehmen kann. Erfüllen sich die Hoffnungen der beiden großen demokratischen Parteien, dann könnte dies der demokratischen Entwicklung in Finnland zum Nutzen gereichen. Das ist wohl das beste, das man von dieser Wahl erwarten kann. Mit den schweren wirtschaftlichen und sozialen Problemen wird sich unter allen Umständen jede Regierung herumschlagen müssen.

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