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Finnischer Regierungstanz

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Nach Rithniemi ging der Auftrag zur Begierungsbildung in Finnland an Rafael Paasio, nach Paasio kam von neuem Koivisto ins Gespräch, nach Koivisto — so munkelt man in den Kulissen — dürfte Karjalainen, der jetzige Außenminister, in den Vordergrund rücken. Und hinter allen Vordergrundsereignissen ist es dennoch der Staatspräsident, Dr. Urho Kekkonen, der die Fäden in seiner Hand vereinigt und ohne dessen Willen hier kein politischer Spatz vom Dache fällt. Was mit Koivisto begann, kann wohl bei Karjalainen enden, doch alle Wege zum Stuhle des Vorsitzenden im Regierungskabinett gehen über die Präsidentenvilla Kekkonens.

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Nach Rithniemi ging der Auftrag zur Begierungsbildung in Finnland an Rafael Paasio, nach Paasio kam von neuem Koivisto ins Gespräch, nach Koivisto — so munkelt man in den Kulissen — dürfte Karjalainen, der jetzige Außenminister, in den Vordergrund rücken. Und hinter allen Vordergrundsereignissen ist es dennoch der Staatspräsident, Dr. Urho Kekkonen, der die Fäden in seiner Hand vereinigt und ohne dessen Willen hier kein politischer Spatz vom Dache fällt. Was mit Koivisto begann, kann wohl bei Karjalainen enden, doch alle Wege zum Stuhle des Vorsitzenden im Regierungskabinett gehen über die Präsidentenvilla Kekkonens.

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Es ist zweifellos ein unterhaltendes und zeitweise spannendes Schauspiel: Regierungsbildungen in Finnland enthalten alle Ingredienzien eines wohlinszenierten Schauspieles, in dem die Akteure alles Können aufbieten, über das sie verfügen. Mitunter wird man in diesem Land, das so lange ein Teil des Zarenreiches war, an die Vorliebe seiner Bewohner für das Schachspiel erinnert. Zug Eins wird gemacht, um Zug Zwei vorzubereiten, der den Gegner über die wahren Absichten im Zug Drei täuschen soll! Und wenn es gegen Schluß des Spieles zur überraschenden Königsrochade kommt, dann wird der Gegner ganz plötzlich mit einem anderen Offizier konfrontiert, als er erwartet hatte. „König“ Kekkonen aber lächelt verschwiegen, geheimnisvoll im Hintergrund!

Es bestand kein Zweifel darüber, daß der Regierungsauftrag an den jungen und so erfolgreichen Konservativen Rithniemi nicht viel mehr als eine schöne Geste und eine Verbeugung vor den parlamentarischen Spielregeln war. Die Konservativen sind nach ihrem hohen Mandatsgewinn zwar die zweitstärkste Partei im Parlament geworden, doch scheint angesichts ihrer rechtsradikalen Vergangenheit, von der sich ein Teil ihrer Führer noch nicht zu lösen vermochte, eine Regierung unter ihrer Führung als ein zu gewagtes Experiment, als daß ihr die Sozialdemokratie, die Zentrumspartei und auch der Präsident zustimmen könnten. Ein Blick auf die Landkarte macht alle Kommentare überflüssig.

Die Sozialdemokraten sind immer noch die stärkste Partei, und Koivi-sto hat immer noch die Regierungsführung inne. Deshalb bekam nach Rithniemi ihr Parteivorsitzender Rafael Paasio den Auftrag zur Regierungsbildung. Der grundehrliche und gut angesehene, wenn auch etwas farblose Paasio bekam überall freundliche Antworten, doch als Virolainen im Namen der Zentrumspartei erklärte, daß seine Partei nicht vor dem 22. April, möglicherweise sogar auch erst Anfang Juni auf das Angebot antworten werde, erschienen Paasios Erfolgsaussichten gering. Paasios Fehler in diesem Zusammenhang ist, daß er kein Mitglied der Kekkonen-Partej ist und man sich durchaus nicht darauf verlassen kann, daß er in jeder Frage die Meinung des Präsidenten vertreten wird. Als Koivisto eine Urlaubsreise nach Italien antrat und der Präsident zum Skilaufen nach Lappland flog, fielen die Aktien Paasios auf den Nullpunkt. Sowohl Koivisto wie auch Karjalainen aber gaben zu verstehen, daß sie am liebsten der Politik Adieu sagen möchten.

Nach finnischen Spielregeln bedeutet das, daß Karjalainen in nächster Zeit als Retter in der Not aus den Kulissen auftauchen dürfte. Natürlich nur um die Sozialdemokraten von einem beschwerlichen Problem zu befreien. Es gibt jedoch auch noch Akteure, die sich in letzter Zeit auffallend still verhalten haben, u. a. den jetzigen Industrieminister Väinö Leskinen (53), der auf eine stürmische Vergangenheit zurückblicken kann, als nächster Kampfgefährte Väinö Tanners als Sowjetfeind Nummer Eins galt und von den Kommunisten dementsprechend bekämpft wurde, und dem das Kunststück gelang, den Kreml von seiner Verwandlung von einem Saulus zu einen Paulus zu überzeugen. Neben Karjalainen, nun 47 Jahre alt, spielen also immer noch Paasio, Leskinen, Koivisto und der Agrarier Virolainen in diesem Drama die Hauptrollen. Rückt Karjalainen diesmal nicht an die Spitze vor, dann nur deshalb, weil er sich einen ausgezeichneten Ausgangspunkt für die nächsten Präsidentenwahlen schaffen will. Gedanken dieser Art scheinen auch Koivisto zu bewegen, der der undankbaren Regierungsarbeit in Finnland ehrlich müde geworden ist und sich gern auf einen weniger umstürmten Platz zurückziehen möchte.

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