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Finnland ohne Kekkonen?

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Dr. Urho Kaleva Kekkonen ist nicht nur seit 16 Jahren Präsident der Republik Finnland, er ist in dieser Zeit auch zu einer Institution geworden, ohne die man sich Finnland, diesen Flecken Erde zwischen der russischen und der amerikanischen Einflußsphäre, schwer vorstellen kann. Vieles von dem, was Finnland heute ist, wurde es mit und durch Kekkonen. Sein Name steht stellvertretend für eine Politik, die es verstanden hat, sich gegen den mächtigen Nachbarn im Osten zu behaupten und sich gleichzeitig im Westen Respekt zu verschaffen.

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Dr. Urho Kaleva Kekkonen ist nicht nur seit 16 Jahren Präsident der Republik Finnland, er ist in dieser Zeit auch zu einer Institution geworden, ohne die man sich Finnland, diesen Flecken Erde zwischen der russischen und der amerikanischen Einflußsphäre, schwer vorstellen kann. Vieles von dem, was Finnland heute ist, wurde es mit und durch Kekkonen. Sein Name steht stellvertretend für eine Politik, die es verstanden hat, sich gegen den mächtigen Nachbarn im Osten zu behaupten und sich gleichzeitig im Westen Respekt zu verschaffen.

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Ein Finnland ohne Kekkonen wird sich vieles von dem, was es heute besitzt, von neuem erkämpfen müssen. Nun ist dieser eigenartige Präsident müde geworden: „Ich will nicht mehr Präsident sein", sagte er vor kurzem in einem Interview, das im Norden großes Aufsehen erregte, „ich bin nun mehr als 16 Jahre lang Präsident gewesen, und ich werde froh sein, wenn alles vorüber ist!"

Im Vorjahr erschien eine Sammlung der Reden und Aufsätze des Präsidenten unter dem Titel „Brückenbau". Auf die Frage, ob er dabei an den Brückenbau zwischen Ost und West gedacht habe, antwortete Kekkonen, daß er schon seit den dreißiger Jahren an der Uberbrückung der Gegensätze zwischen der Agrarpartei und der linken Sozialdemokratie gearbeitet habe. Bei anderen Gelegenheiten hat er betont, daß ohne die Zusammenarbeit der Bauern, der Waldarbeiter und der Industriarbeiter in den Städten Finnland nicht leben könne. Und was den Brückenbau betrifft, so habe er nie den Ehrgeiz gehabt, den Vermittler zwischen den Großmächten zu spielen. Eine andere Sache sei es, daß auch ein kleines Land im Rahmen seiner Möglichkeiten seine Dienste der internationalen Zusammenarbeit anbieten könne, wenn dies erwünscht sein sollte.

Wenn man noch in frischer Erinnerung hat, wie scharf die Regierung der USA auf die jüngsten kritischen Bemerkungen des schwedischen Regierungschefs über die amerikanischen Kriegshandlungen in Indochina reagierte, dann liest man mit Verwunderung jene mindestens ebenso eindeutigen Worte, mit denen Kekkonen anläßlich seines letzten Besuches bei Präsident Nixon gegen diesen Krieg Stellung nahm, ohne auf amerikanischen Widerspruch zu stoßen.

Zum „Brückenbau" in Finnland rechnet der Präsident offensichtlich auch die Heranziehung einer Generation von Politikern, die bereit ist, im Interesse des ganzen Volkes die alten Gegensätze zu überwinden. Dabei stößt man unausweichlich auf den Werdegang des Sozialdemokraten Väinö Leskinen, der durch lange Jahre dem rechten Flügel seiner Partei zugerechnet wurde, weitere Jahre in einer Art von Quarantäne lebte und dem es dann gelang, allmählich das Vertrauen des Kremls zu gewinnen und schließlich sogar zum Außeminister unter Karjalainen zu avancieren. Leskinen gehörte in den letzten Jahren zum engsten Kreis der Politiker um Kekkonen. Im Lager der Konservativen, die ebenfalls durch lange Zeit von der Regierungsbeteiligung ausgeschlossen waren, gewann der junge und modern denkende Julia RAhtndeini das Vertrauen breiterer Kreise und gelangte an die Spitze seiner Partei. Beide Politiker starben jedoch kurz nacheinander, Leskinen während einer Skitour zu Beginn dieses Jahres. Die zunehmende Resignation in der Haltung Kekkonens kann sicherlich auch auf diese Verluste zurückgeführt werden.

Kekkonen ist zwar müde geworden, aber er ist kein kranker Mann; sollten die Parteien es wünschen, dann wird er sich für eine weitere — mag sein verkürzte — Amtsperiode zur Verfügung stellen. Allerdings wünscht Kekkonen, daß dies ohne eine aufreibende und alte Gegensätze aufreißende Elektorenwahl erfolgen möge, sondern nur mit Hilfe eines Sondergesetzes. Einem solchen Gesetz aber widersetzen sich die Konservativen, die mit ihren 37 Stimmen im Parlament seine Annahme verhindern können. Aber wozu einen großen und kostspieligen Wahlapparat in Bewegung setzen, wenn das Endergebnis — die Wiederwahl Kekkonens — von vornherein feststeht? So fragen die Freunde des Präsidenten.

Auf einem Kongreß der Sozialdemokraten in Tammerfors richtete unlängst der Vorsitzende der Partei und jetzige Regierungschef Rafael Paasio einen scharfen Angriff gegen jene Sozialdemokraten, die eine enge Zusammenarbeit mit den Kommunisten vorgeschlagen hatten. Diese Gruppe unterlag bei der entscheidenden Abstimmung mit 78 gegen 168 Stimmen. Gleichzeitig entfernte jedoch der Kongreß zwei sehr einflußreiche Vertreter des rechten Flügels — Kaarlo Pitsinki und Olavi Lindblom — aus der Parteileitung; beide waren von den Kommunisten unablässig angegriffen worden. Im kommunistischen Lager hofft man deshalb — trotz der Kongreßndeder-lage des Linksflügels — an eine kommende Annäherung und Zusammenarbeit, auch wenn man nicht in der Regierung vertreten ist.

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