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Was Salzburg und Klagenfurt noch offen ließen, hat Oberösterreich nun klargestellt: Der Wind hat sich in der österreichischen Innenpolitik gedreht. Er weht der österreichischen Volkspartei, wie es Landeshauptmann Gleißner nüchtern festgestellt hat, heute ins Gesicht. Er treibt die viele Monate schlaff gehangenen Segel des von. seinem Steuermann Kreisky vorsichtig auf neuen Kurs gebrachten sozialistischen Schiffes.

Der sozialistische Wahlerfolg in dem Land ob der Enns ist eindeutig. Mit 307.125 Stimmen hat die SPÖ hier nicht nur ihre schwere Schlappe von 1966 gutgemacht, sondern die VP sogar um beinahe 5000 Stimmen überrundet. Der Schlag traf um so stärker, als der Volkspartei hier in Landeshauptmann Gleißner nicht nur ein „Landesvater“, vor dem heute auch politische Gegner ihren Hut ziehen, zur Verfügung stand, sondern auch eine Persönlichkeit, die die besten Traditionen dieser Partei verkörpert. Man kann sich vorstellen, daß ohne Gleißner der Rückschlag des Pendels noch stärker ausgefallen wäre. Es war ein echter „Denkzettel“ an die Adresse der Zentrale der österreichischen Volkspartei, den die oberösterreichischen Wähler erteilten. Denkzettel wofür? Allzu selbstsicher war man seit dem 6. März 1966 geworden. Zu verliebt vielleicht auch in die Spielzeuge einer als „wissenschaftlich“ etikettierten Politik wie Computer, Meinungsumfragen, Imagebildung und tiefenpsycholagische Werbemethoden. Man glaubte die Massen der Konsumgesellschaft „in den Griff“ bekommen zu haben, so daß man ihnen unpopuläre Maßnahmen jederzeit zumuten könne, ohne dafür Tribut zu zahlen, während man sich in Europapolitik Illusionen verschrieb. Wer der Volkspartei ein guter, das heißt kritischer Freund sein wollte, wurde rasch in Acht und Bann getan. Fort mit dem Störenfried, hinaus mit ihm, möglichst weit weg, am besten zu den Botokuden (Es könnte aber auch Agram sein).

Welche Lehren wird man nun aa und dort ziehen? In der Volkspartei ist die Gefahr groß, daß man statt der Erkenntnis, daß auch die mit der Etikette „Reform“ versehene Politik nicht der Weisheit letzter Schluß ist, das Allheilmittel in einer Regierungsumbildung sieht.

Auch für die SPÖ besteht die Gefahr von Fehlschlüssen. Hier könnten sich viele Funktionäre selbstgefällig auf die Schulter klopfen, wir sind schon über den Berg.

Das Schicksal der „Kleinen“ zeichnet sich so ab, wie wir es hier in diesem Blatt seit Jahren vorhersahen. Noch einmal konnte sich die FPÖ, wenn auch mandatmäßig halbiert, behaupten. Ob ihr die Großen die Freude machen, sie Zünglein an der Waage spielen zu lassen, steht auf einem anderen Blatt. Dem oberösterreichischen Klima würde es besser entsprechen, wenn sich ÖVP und SPÖ darüber einig werden könnten, in der ersten Halbzeit dem Landesvater Gleißner den Vortritt auf den ersten Platz zu lassen, während man in der zweiten Hälfte den 5000 Stimmen Überhang der Sozialisten Rechnung trägt.

Eine Lehre gilt für alle: Keine Partei Ist heute stark genug, große strukturelle Reformen, die Opfer kosten, allein zu tragen. Nur gemeinsam wäre dies möglich, wird dies möglich sein. Das wird heute und morgen auf die praktische Politik noch keine Rückwirkungen haben. Übermorgen aber, dessen sind wir sicher, bestimmt.

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