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Nach Rang, nicht nach Verdiensten

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Wer ihn besitzt und auch stolz zur Schau trägt, wird im besten Fall belächelt. Wer keinen hat, schaut nichts-destotrotz ein wenig neidig auf die, die ihre Brust damit dekorieren können: Der Orden, sympathisches Überbleibsel aus anderen Tagen, hat wieder Saison.

Genauer gesagt: Ballsaison.

Die männlichen Besucher von Philharmoniker-, Pharmazie- und Ärzteball (bereits absolviert), von Juristenball (am 16. Februar in der Wiener Hofburg) und vor allem die Besucher des Opernballs, zwei Tage vorher, tragen ihre Leistungen auf Frack über stolzgeschwellter Brust. Genauer gesagt: die dafür verliehenen Ehrenzeichen für Verdienste.

Und derer (nämlich der Verdienste) gibt es viele: Um die Republik Österreich, um die Anliegen der einzelnen Bundesländer, um die der Kirche, jeweils in Bronze, Silber und Gold, mit Stern und am Bande, mit Ritter-, Komtur- und Großkreuz. Und klingen tut's ja wirklich imposant:

So verleiht der Bundespräsident in einer Entschließung auf Antrag der österreichischen Bundesregierung (und nachdem in der Regel einzelne Ressortminister Vorschläge eingebracht haben, die ihrerseits wieder auf Anfragen beruhen) von der „Bronzenen Medaille für Verdiente um die Republik Österreich" aufwärts, insgesamt vierzehn bundesstaatliche Auszeichnungn, bis hin zum „Großen silbernen" und „Großen goldenen Ehrenzeichen am Bande". Überaus selten und da nur für Ausländer (wie zuletzt für die schwedische Königin Sylvia) gibt es den „Großstern des Ehrenzeichens für Verdienste um die Republik Österreich".

Letztere Auszeichnung wird dem jeweiligen Bundespräsidenten als einzigem Österreicher bei Amtsantritt verliehen. Sie verbleibt ihm auch nach dem Ausscheiden aus dem Amt - nur die Stern- und Banddekorationen muß auch er käuflich erwerben ...

Sektionsrat Schedewy von der Präsidentschaftskanzlei, Leiter der „österreichischen Ehrenzeichenkanzlei", über die Richtlinien, die zur

Verleihung eines Ordens notwendig sind:

„Da kann ich ihnen nichts darüber sagen, das liegt nicht in meinem Verantwortungsbereich." Wohl aber gibt er zu, daß eine Limitierung der Auszeichnungen „unser Wunsch" wäre -was angesichts der Flut an Ehrungen auch keineswegs verwunderlich ist: Auf rund 3000 Personen im Jahr schätzt er die Zahl der solcherart Geehrten (die in der „Wiener Zeitung" ausgewiesen sind). Die Kosten, die seit einer Gesetzesnovelle aus dem Jahr 1969 der österreichische Staat übernommen hat, dürfen sich auf rund zwei Millionen Schilling pro Budgetperiode belaufen.

Dies zu sagen, war ein Mitarbeiter der Ehrenzeichenkanzlei eigenen Angaben gemäß „nicht berechtigt". Dafür aber nannte er einige Gründe bzw. Voraussetzungen für die Zuer-kennung einer kleineren oder größeren Auszeichnung:

Nach den „Richtlinien" werden Botschafter mit dem „Großen goldenen Ehrenzeichen am Bande" Bedacht, so sie nur „wenigstens drei bis vier Jahre in Österreich waren", erhalten Polizeibeamte nach „vielen Jahren Dienstzeit kleinere Ehrenzeichen" und Wirtschaftstreibende (auf Antrag des Handelsministeriums) oder Landtagsabgeordnete (über Anregung des Innenministers) „mittlere Auszeichnungen". SPÖ-Klub-obmann Heinz Fischer wurde jüngst das „Große goldene Ehrenzeichen mit dem Stern" verliehen.

Ähnlich heimlich und verschlungen geht es bei der Kriche zu. Dort will ein Antrag erst von der „Ordenskommission" wohlwollend geprüft und der zu Ehrende auf seine tatsächlichen Verdienste um die Kirche hin untersucht werden, ehe ihm ein di-özesaner Orden oder gar eine der vier päpstlichen Auszeichnungen (natürlich wiederum mit Abstufungen) überreicht wird: Silvester-, Grego-rius-, Pius- und Christusorden gehen an „Ministerialräte und Sektionschefs, die sich wegen ihrer katholischen Gesinnung oft schimpfen und auslachen lassen müssen" (Kardinal-Sekretär Johann Huber), an verdiente Theologen und an Politiker. Wie bekannt, trägt ja seit Dezember des Vorjahres Wiens Bürgermeister Gratz, so wie die meisten ÖVP-Lan-N deshauptleute das Großkreuz des Silvesterordens mit Stern zur Schau.

Zu den rund 30 aus dem Vatikan verliehenen Orden kommen jährlich noch rund 50 diözesane Ehrenzeichen: Meist sind es „einfache Leute", Mesner etwa, die jahrelang aufopfernd gearbeitet haben, Pfarrhaushelferinnen oder andere Mitarbeiter. Und weil sie sich den Luxus von Nobelbällen nicht leisten können, verstauben manche der Orden wahrscheinlich unbedacht in Tischladen und Nachtkästchen.

Wie sie - gleich vielen anderen Auszeichnungen - ja gar nichts auf Ballveranstaltungen zu suchen hätten, symbolisieren sie doch inmitten der Lustbarkeit hartes Berufsleben. Eigentlich seltsam, daß so wenige der bisher Dekorierten ihre Faschingsorden ausführen ...

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