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Ordensdämmerung

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Seit in England die sogenannten Beatles von der Königin zu Mitgliedern des Ordens des britischen Empire ernannt worden sind, ist die Problematik, die Orden und Ehrenzeichen in unserer Zeit anhaftet, vor aller Welt deutlich geworden.

Die Welle des Unbehagens erreichte sogar Österreich. In einer Aussendung der von der österreichischen Jugendbewegung — Junge Generation in der ÖVP herausgegebenen „ÖJB-Informationen“ (Juni 1965) lesen wir unter anderem:

„Tatsache ist, da/} sich auch bei uns die Fälle häufen, daß bereits verliehene Orden nicht angenommen oder sogar retourniert werden. Sicherlich nicht immer aus übergroßer Menschlichkeit heraus, vielleicht öfter sogar, weil dem Träger der Orden zu gering erschien. Ja es soll sogar schon Fälle gegeben, daß Aspiranten auf indirekten Wegen (= Intervention) Orden anstreben, um später die Aufnahme der verliehenen Medaille öffentlich abzulehnen. Es glauben nämlich viele, daß es heute bereits ehrenvoller ist — auf jeden Fall spektakulärer —, die Aufnahme eines bereits verliehenen Ordens überlegen abzulehnen, als sich in die Front der Zehntausenden von Ordensträgern einzureihen. So ist die tatsächliche Situation, und das wissen sehr viele.

... Wir wissen auch, daß es in vielen anderen Staaten nicht vernünftiger gehandhabt wird. Das aber macht uns die Ordensangelegenheit nicht geschmackvoller. Denn wir tuissen auch, daß nicht alle Völker diesen Unfug mitmachen: Die Schweiz zum Beispiel verleiht keine Staatsorden und verbietet auch ihren Staatsbürgern, fremde Orden anzunehmen! Würde der Vatikan die ganze Ordensverleihung im Zeichen des Zweiten ökumenischen Konzils abschaffen, so würde die christliche Mission darunter sicher nicht leiden.

Wenn Vereine und private Vereinigungen Auszeichnungen verleihen, so ist dies noch zu verstehen. Denn sie sind oft die einzige Anerkennung für völlig freiwillige, entgeltlose Mitarbeit und Einsatzfreudigkeit. Wenn auch hier sinnlose Abstufungen durchgeführt werden, so folgt man oft schon dem durchaus nicht nachahmenswerten Beispiel des Staates. Denn es ist kein Verdienst, wenn man durch die Verwaltung eines größeren Budgetpostens auch größere“,Taten' setzen kann.

Sollen also die Staatsorden ganz fallen? Nein, aber sie müssen wenigstens auf ein vernünftiges Ausmaß reduziert und zweitens für tatsächliche Leistungen, die nicht sowieso schon entlohnt sind beziehungsweise in das normale Berufs-aufgabengebiet fallen, verliehen werden. Apropos, im Wort Verleihung kommt zum Ausdruck, daß der Orden von seinem Träger nur solange beansprucht werden dürfte, solange er ihn verdient! Aber

wann würde darauf schon einmal geachtet? Weil aber dies alles sehr schwierig wäre, sind wir grundsätzlich für staatliche Ordensverleihungen nur in zwei Fällen:

• Für Lebensrettung.

• Für die nachweisliche Verhinderung eines Schadens, welcher der Allgemeinheit entstanden wäre, sofern diese Schadensverhütung nicht schon in das Berufsaufgabengebiet der betreffenden Person fällt.

Abstufungen von Orden dürften dann nur nach den Maßstäben des persönlichen Einsatzes oder der Höhe der erzielten Schadensverhinderung erfolgen.

Wäre dies nicht eine kolossale Aufwertung der Staatsorden und ihrer verdienten Träger?“

Gut gebrüllt. Aber werden die Alten singen, wie die Jungen zwitschern? Es wäre keine schlechte Melodie.

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