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Ja — mit Vorbehalt

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Heute spricht man in Deutschland von den Orden und Auszeichnungen des zweiten Weltkrieges. Und es sind nicht nur jene, denen die blutigrote Vergangenheit in rosaroter Verklärung erscheint. Die Frage, ob und in welcher Form die deutschen Kriegsauszeichnungen des zweiten Weltkrieges auf den Rockaufschlägen der Zivilisten, den Blusen des neuen Grenzschutzes und vielleicht einmal auf den Waffenröcken der deutschen Einheiten einer kommenden Europaarmee aufscheinen sollen, wird ernst und ehrlich diskutiert. Es ist nicht uninteressant, dieser öffentlichen Aussprache, an der die deutsche Publizistik regen Anteil nimmt, ein wenig zu folgen. An Für- und Widerstimmen fehlt es nicht. Aber auch in jenen Kreisen, die die Frage des Tragens der alten Kriegsauszeichnungen zumindestens einer Aussprache wert erachten, sind die Ansichten geteilt. Gibt es doch eine große Verlegenheit: das Hakenkreuz, das — ein sichtbarer Ausdruck, wie weit das nationalsozialistische Regime Volk, Staat und Wehrmacht seinen düsteren Plänen unterworfen hatte — allen deutschen Orden und Auszeichnungen in mehr oder weniger deutlicher Form aufgeprägt ist. Das Hakenkreuz muß fort: darüber herrscht Einmütigkeit. Die „Deutsche Zeitung“ darf daher allgemeiner Zustimmung sicher sein, wenn sie schreibt:

„Was unbedingt feststehen sollte, ist dies: Ehrenzeichen, die im Dritten Reich den Charakter von Parteiauszeichnungen getragen haben, dürfen unter keinen Umständen wiedererstehen. Das gleiche gilt für das Symbol, das Hakenkreuz.“

Der bis jetzt am meisten erörterte Plan einer „Umtauschaktion“ E. K. mit Hakenkreuz gegen E. K. ohne Hakenkreuz, mißfällt jedoch der „Deutschen Zeitung“. Sie hat einen anderen Vorschlag.

.... Einmal verliehene Orden wird man aber nicht einfach umändern können, abgesehen davon, daß eine Umtauschaktion ein schwieriges und kostspieliges Verfahren wäre. Auch böte ein solches Verfahren neonazistisch eingestellten Kreisen nur einen Anlaß, demonstrativ die alte Ordenspracht an Stelle der von dem Hakenkreuz gereinigten Ehrenzeichen zu tragen. Die alten Orden als solche sollten also aus der Öffentlichkeit verschwinden. Könnte man nicht Spangen, Schnallen oder auch andere Ordenssymbole als Zeichen für alte Orden schaffen, die den Träger als Besitzer solcher Auszeichnungen ausweiseh? Da aber niemandem ein Verzicht zugemutet wird, würde sich ein Träger der alten Ordensembleme selbst als einen unverbesserlichen Anhänger des Dritten Reiches kennzeichnen.'

Im Lager der Christlich-demokratischen Union erscheint diese Frage von zweitrangiger Bedeutung. Was man hier — und das mit gutem Recht — auf alle Fälle verhindern will, ist dem Pressedienst der CDU zufolge eine „summarische

Anerkennung“ aller im letzten Krieg verliehenen Auszeichnungen. Erfolgten diese doch im Namen des Führers und gemäß seiner Anordnungen. Und diese waren bekanntlich nicht immer von militärischen Erwägungen bestimmt.

„... Die Auffassungen über Ehre und Treue, wie sie mancher Ordensverleihung im Dritten R^eich zugrunde lagen, waren vielfach zweifelhafter Natur. Die Dekorierung von Taten, die in Wahrheit Verbrechen waren, kann unmöglich nachträglich sanktioniert werden Eine summarische Anerkennung aller verliehenen Auszeichnungen würde, um ein Beispiel zu nennen, Herrn Remer das Recht geben, mit seinem 20,-Juli-Orden zu prunken .. Dagegen aber ist nicht einzusehen, warum man den Inhabern reiner Tapferkeitsatiszeichnungen, die vielfach mit schweren Gesundheitsschädigungen erkauft werden mußten, das Tragen ihrer Auszeichnungen nicht gestatten sollte. ... Hakenkreuze wieder deshalb öffentlich tragen zu dürfen, weil sie zufällig auf einer Tapferkeitsauszeichnung sich befinden, wäre einfach grotesk. Hier sehen wir eine mehr technische Schwierigkeit, die zu lösen nicht einfach sein wird.“

Auch die sozialistische Opposition steht der Frage „Wieder Kriegsauszeichnungen des zweiten Weltkrieges“ durchaus nicht ablehnend gegenüber. Natürlich hat diese Seite starke Reserven, die in einer Aussendung des SPD-Pressedienstes auch nicht verschwiegen werden. Allein mit realpolitischen Uber-legungen — ein starres Nein wäre Wasser auf die Mühlen des Rechtsextremismus — wird die Zustimmung begründet. „Viele Tapferkeitsauszeichnungen sind in Wahrheit nationalsozialistische Verdienstorden und damit sicher keine Ehrenzeichen. Widerspruchslose Befehlsausführung gegen besseres Wissen und Gewissen um den Preis ungeheurer Menschenverluste war der Diktatur manchen Orden wert. Die Gefahr, daß gerade von dieser Seite her mit den Auszeichnungen der Krieg selber rehabilitiert wird, ist beträchtlich. Das ist nicht ausschließlich eine Frage der Propaganda politischer Extreme. Die Radikalen können immer nur auf dem Felde der Unzufriedenheit ernten, weswegen es sich nicht empfiehlt, durch ein striktes Verbot das Ressentiment der heute noch Gleichgültigen zu erwecken.“

Vielleicht ist diese Erklärung für eine immerhin bemerkenswerte Entscheidung der deutschen Sozialisten nicht vollständig. Auf jeden Fall tut es gut, sich zu erinnern, daß der unumschränkte Führer im Lager der deutschen Sozialdemokratie Schumacher heißt. Dr. Kurt Schumacher, der Offizier, der E.-K.-Träger des ersten Weltkrieges...

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