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Polarisierung verhindern

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Das Dr. Karl-Kummer-Institut für Sozialpolitik und Sozialreform veranstaltete gemeinsam mit der KAB und der Wiener Katholischen Akademie kürzlich eine Katholisch-Soziale Tagung unter dem Thema „Politischer Katholizismus“. Als Referenten konnten Universitätsprofessor Anton Burghardt, Inhaber der Lehrkanzel für Allgemeine und Wirtschafts-Soziologie an der Hochschule für Welthandel, der Universalhistoriker Professor Oskar Köhler sowie Dozent Wolfgang Mantl “von der Universität Graz, der Leiter der CV-Bildungsakademie, gewonnen werden. Für die SPÖ sprach Landeshauptmannstellvertreter Herbert Salcher, für die ÖVP Abgeordneter Josef Gruber, der Leiter des Bildungshauses Puchberg, Oberösterreich.

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Das Dr. Karl-Kummer-Institut für Sozialpolitik und Sozialreform veranstaltete gemeinsam mit der KAB und der Wiener Katholischen Akademie kürzlich eine Katholisch-Soziale Tagung unter dem Thema „Politischer Katholizismus“. Als Referenten konnten Universitätsprofessor Anton Burghardt, Inhaber der Lehrkanzel für Allgemeine und Wirtschafts-Soziologie an der Hochschule für Welthandel, der Universalhistoriker Professor Oskar Köhler sowie Dozent Wolfgang Mantl “von der Universität Graz, der Leiter der CV-Bildungsakademie, gewonnen werden. Für die SPÖ sprach Landeshauptmannstellvertreter Herbert Salcher, für die ÖVP Abgeordneter Josef Gruber, der Leiter des Bildungshauses Puchberg, Oberösterreich.

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Erst eine Klärung des Begriffs „Katholizismus“, der Versuch seiner Realdefinition ermöglicht eine fundierte Pro- oder Kontraposition. Bei politischer Auseinandersetzung auf der Basis inhaltsleerer Begriffe erhalten Funktionäre zwar unter Umständen gute Zensuren in Parteidisziplin; einer Versachlichung der Politik ist damit nicht gedient.

In seinem Einführungsreferat legte Professor Burghardt dar, daß der Katholizismus bereits in seiner Anlage politisch (nicht parteipolitisch) ist: Schon der Dekalog hat eminent politische Bezüge. Der Versuch seiner Durchsetzung ohne Begegnung und Auseinandersetzung mit politischen Parteien und öffentlichen Einrichtungen ist undenkbar (siehe FURCHE 15/1975). Es gibt viele Katholizismen: Ein Katholik kann etwa auch Sozialist (es gibt viele Sozialismen), ebenso ein „Nationaler“ sein (die katholischen Nationalen Österreichs wurden 1938 vielfach mit Haft „belohnt“).

Eine etwas abgewandelte Version des Politischen Katholizismus legte Professor Köhler (Freiburg) vor, der die Wandlung des (Verbands-)Katholizismus von seiner klassischen Periode — Mitte des 19. Jahrhunderts bis zur Zwischenkriegszeit — zu seiner heutigen Erscheinungsform in der unmittelbaren Konfrontation der Kirche mit der Gesell-

schaft (und nicht mit dem Staat) sieht. Auf die Frage, w o der Politische Katholizismus seine Meinung vertreten soll, erscheint Köhler als legitimer Bereich jener, in dem die göttliche Ordnung, die erst dem Menschen die Menschlichkeit garantiert, sichtbar werden soll. Grenzen des Bereichs der Wirksamkeit des Katholizismus können gezogen werden, wenn inhaltlich ökonomische (also nur-profane) Probleme berührt werden. Politischer Katholizismus ist jedenfalls für Köhler der Inbegriff einer Grundhaltung zu Fragen menschlichen Rechts; sein Hintergrund ist viel weiter, als der des in seiner Existenz problematischen Naturrechts.

Dozent Mantl führte aus, daß der parteipolitische Katholizismus eine Antwort, eine Reaktion, eine Form katholischer Defensive auf den radikalen, kirchenfeindlichen Liberalismus in der Folge der Französischen Revolution darstellt. Das Programm des parteipolitischen Katholizismus ist nicht global, sondern auf katholische Vorstellungen in Ehe-und Schulgesetzen, in Österreich besonders auch auf Sozialreform — also lokalspezifisch — gerichtet.

Für den handesparteiobmann der SPÖ-Tirol, Salcher, ist der politische Katholizismus immer noch weltanschaulich belastet durch sein — erst langsam überwundenes — Erbe: die

3-Lager-Theorie (sozialistisches, nationales und christliches Lager) wirkt für Salcher rudimentär fort. Allzulange war der parteipolitische Katholizismus antiliberal, antidemokratisch und antisozialistisch. Er selbst — der steh als ein Repräsentant des verbandsfreien Katholizismus in der SPÖ bezeichnet — bedauert die Belastung des Begriffs durch die historische Entwicklung. Besonders der Verbandskatholizismus erscheint dem Sozialisten Salcher als eine im Vorfeld der ÖVP agierende Gruppe, was durch die oftmalige Identität der Funktionäre (z. B. in Tirol der Fraktion Christlicher Gewerkschafter mit dem ÖAAB) erklärt wird. Neben dem nicht- und antisozialistischen parteipolitischen Katholizismus gibt es — nach Salcher — auch einen Katholischen Sozialismus — besonders in Tirol, wo viele Mitglieder bei ihrer Parteinahme für die SPÖ katholisch motiviert sind. Eine Konfliktsituation für Katholiken in ihrer Partei, wenn etwa ihre Vorstellungen nach einer Abstimmungsniederlage nicht durchsetzbar sind, führt zu Vereinsamung. Von Parteifreunden etwas scheel angesehen, ohne Unterstützung von katholischen Mitbrüdern (auch nicht im Jahr der Versöhnung), bleibt Katholiken die Wahl, die jeweilige Partei zu verlassen, damit aus der Demokratie zu emigrieren, oder die Polarisation zu verringern und für die Partei, für die sie sich als Katholiken engagieren, weiterzuarbeiten.

Die große Einsamkeit des suchenden Menschen verspürt auch der Abgeordnete Grub er (ÖVP), der den politisch tätigen Katholiken als von der Amtskirche und von seiten katholischer Gruppierungen diskriminiert bezeichnet. Eine Weltflucht der Kirche und ihrer Mitglieder aber ist abzulehnen. Die Katholiken haben in das politische Leben hineinzuwirken, sich zu bewähren. Besonders deutlich tritt die Eigenverantwortung des politischen Handelnden hervor, der zwar der Richtlinien für seine Tätigkeit bedarf, keinesfalls aber Befehlsempfänger ist.

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