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Schlummernde Ressourcen

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Man kann es drehen und wenden, wie man will: Nach allen erhobenen Daten zählt das südliche Burgenland — neben dem niederösterreichischen Waldviertel — zu jenen Regionen Österreichs, an denen die wirtschaftliche Aufwärtsentwicklung in den sechziger und siebziger Jahren spurlos vorübergegangen ist.

Ganz im Gegenteil: die sozio-ökonomische Position des südlichen Burgenlandes hat sich, auch im Verhältnis zum nördlichen Landesteil, entscheidend verschlechtert.

Negative Pendlerbilanzen, hohe Anteile von Wochenpendlern, hohe Abwanderungsraten, geringes Angebot an nichtlandwirtschaftlichen Arbeitsplätzen, extrem hohe Agrarquoten und stark unterdurchschnittliche Einkommensverhältnisse prägen das Bild der Region. Einige konkrete Zahlen: • Unter den 84 politischen Bezirken Österreichs rangieren die drei südlichsten Bezirke Oberwart, Güssing und Jennersdorf an 65., an 81. und an 83. Stelle mit einer negativen Pendlerbilanz von minus 17 Prozent, minus 25 Prozent beziehungsweise minus 26 Prozent. 44 Prozent der Pendler sind Nichttagespendler.

• Eine Gegenüberstellung von Berufstätigen — und Arbeitsplatzentwicklung ergibt ein Arbeitsplatzdefizit von rund 10.000 Arbeitsplätzen. Und die Tendenz ist weiterhin steigend.

• Das regionalisierte Netto-In-landsprodukt liegt um 54 Prozent unter dem österreichischen und um 28 Prozent unter dem burgen-ländischen Schnitt.

• Die Arbeitslosenrate in der Region lag im Jänner dieses Jahres zusammen bei mehr als 14 Prozent, im Jahresdurchschnitt 1981 immerhin bei 4,1 Prozent.

Die Situation im südburgenlän-dischen Gewerbe und in der Industrie ist darüber hinaus gekennzeichnet durch einen hohen Anteil an” qualifikationsextensiven Branchen, einen hohen Anteil des von der allgemeinen Rezession besonders stark betroffenen Bauwesens, durch extreme Außenabhängigkeit der Industrie sowie überhaupt durch einen Rückgang der Gewerbetätigkeit.

Im Mai 1979 veröffentlichte die Burgenländische Landesregierung als Ergebnis einer dreijährigen Analyse die beiden ersten Entwicklungsprogramme für das mittlere Und das südliche Burgenland. Im April 1982 folgte dann das Entwicklungsprogramm für den nördlichen Landesteil.

Gemeinsames Ziel aller Programme: eine möglichst hohe Qualität des unmittelbaren Lebensraumes für alle Bevölkerungsgruppen zu gewährleisten und Entwicklungsunterschiede zwischen den einzelnen Teilräumen möglichst abzuschwächen.

Doch grau ist alle Theorie. Das dachte auch eine junge und ambi-tionierte Gruppe von burgenlän-dischen Ökonomen und Soziologen unter Führung des Nicht-Burgenländers und Wiener Raumplaners Thomas Heinze und schritt zur Gründung einer „Arbeitsgemeinschaft (ARGE) Südburgenland”.

Unter dem Titel „Wissenschaftliche Pilotstudie”, finanziert aus dem Budget von Kultur-Landesrat Gerald Mader, betrieben die fünf Regionalwissenschafter sechs Monate lang Studien „vor Ort”.

Am 11. Juni präsentiert nun die „ARGE Südburgenland” im Kulturzentrum Güssing die Studie „Wirtschaftliche Entwicklungsmöglichkeiten im Südburgenland” sowie schon heute feststehende Projekte, die zu einer wirtschaftlichen Belebung im Sinn der „autonomen Regionalentwicklung” führen können.

Zu einer Genossenschaft haben sich etwa südburgenländische Tischlereibetriebe zusammengeschlossen, die eng mit Wiener Designern und einer Vermarktungsorganisation auf dem Gebiet der Kleinmöbel- und Büromöbelproduktion zusammenarbeiten werden.

Die ARGE hat in diesem konkreten Fall lediglich als Mittler zwischen den Beteiligten fungiert.

Aus der auch in der Bundesrepublik empirisch nachgewiesenen Erkenntnis heraus, daß die fehlende regionalwirtschaftliche Dynamik in erster Linie auf nichtmonetäre Defizite zurückzuführen ist, also nicht ausschließlich auf (Eigen-)Kapitalmangel, wie oft resignierend von Landes- wie Kommunalpolitikern behauptet wird, versteht sich die ARGE Südburgenland als Animator für die in der Region schlummernden intellektuellen und. handwerklichen Ressourcen.

Zugleich bedeutet das eine Absage an die Hereinholung von investitionsintensiven Großbetrieben.

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