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Vergangenheit im Film

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Die Filmsaison läuft mit Hochtouren an — hoffentlich, kann man nur wünschen, geht ihr bei soviel Qualität zu Beginn nicht schon allzu bald wieder der Atem aus! Da ist, an der Spitze der Jahresbesten wahrscheinlich zu nennen, vcr allem die politische Spielfilmdokumentation „Die Ermordung Matteottis“ (11 delitto Matteotti) von Florestono Voncint, vor dessen Beginn steht: „Dieser Film ist kein Film über den Abgeordneten und Sekretär der Vereinigten Sozialistischen Parteien Italiens, Giacomo Matteotti. Dieser Film ist vielmehr die Analyse der politischen Krise in Italien, die zur Machtergreifung der Faschisten und zum Sieg Mussolinis führte.“ Es hat zwar zwei Jahre gedauert, bis dieses beste Beispiel von Italiens Tradition mit dokumentarisch orientierten politischen Filmen (siehe „Saceo und Vanzetti“, „Lucky Luciano“ oder Rosis „der Fall Mattei') zu uns gekommen ist (via Deutsches Fernsehen, Dank sei ihm dafür!), aber immerhin, seien wir froh, daß überhaupt ...

Der Film — wie weit er nun exakt historisch richtig ist, dürfte sich wohl der Kenntnis des österreichischen Zuschauers entziehen, doch sei dem Regisseur Vertrauen zugebilligt — ist ein politischer Kriminalfilm, doch von großem historisch-politischem Gewicht. Die Rückblende in das Jahr 1924, das Entscheidungsjahr der italienischen Parlamentsgeschichte, ist nicht nur ein großartig gestalteter und hervorragend gespielter Bericht über eine historische Episode, sondern auch ein Lehrbeispiel, wie leicht demokratische Spielregeln durch Chauvinismus, faschistischen Terror, eine „Mehrheit“ (der Gewalt) außer Kraft gesetzt werden können. Daß der Film, in dem Franco Nero, Riccardo Cwciolla, Vittorio de Sica und besonders Mario Adorf (als unheimlich überzeugender Benito Mussolini) große darstellerische Leistungen bieten, kommt doch wohl nicht von ungefähr vor dem 5. Oktober in Österreich heraus — Zufall oder Absicht?

Barbra Streisand ist eindeutig Geschmackssache; manche Zuschauer finden sie gräßlich, ihre überlangen Fingernägelkrallen widerlich und ihr Gesicht mehr häßlich als anziehend (heute kommt ein bereits sehr stark bemerkbares Doppelkinn dazu); doch selbst die, die sie ablehnen, werden nicht leugnen können, daß sie eine großartige Sängerin und- auch überzeugende Komikerin ist, die manchmal sogar überzeugenden Charme gewinnt. Das müßte genügen, um „Funny Lady“, das weitere Leben des Broadwaystars Fanny Brice, die bis auf wenige Musiknummern sehr dürftige und im letzten Drittel unerträglich schleppende Fortsetzung von „Funny Girl“' (1967), immerhin gelten zu lassen. (James Caan wird allmählich „sättigend“ und der arme Omar Sharif sehr „müde!) Nur mehr als filmhistorisches Dokument eines überholten Historienstils, einer Hollywood-Bergman auf dem Höhepunkt ihrer amerikanischen Karriere und einer einstmals gloriosen Technicolor-Technik kann man Victor Flemings Verfilmung „Johanna von Orleans“ (nach Maxwell Andersons Drama) gelten lassen — das Pathos ist heute unerträglich! Auch historische Filme sind nicht alle zeitlos, eine interessante Erkenntnis...

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