Ein Festtag der Demokratie

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Trotz zahlreicher Anschläge und Dutzender Todesopfer bewertet auch die „Berner Zeitung“ die Wahlen im Irak als demokratiepolitischen Erfolg.

Mit allen Mitteln wollte das Terrornetzwerk Al-Qaida die zweiten Parlamentswahlen seit dem Sturz des Regimes von Saddam Hussein im April 2003 verhindern. Millionen von Irakern wussten, dass am gestrigen Wahltag Lebensgefahr drohte. Dennoch warteten sie in langen Schlangen geduldig, bis sie von ihrem Wahlrecht Gebrauch machen konnten.

Regierungschef Nuri al-Maliki wertete die von lokalen Fernsehsendern mit rund 70 Prozent geschätzte Wahlbeteiligung als einen „Festtag der Demokratie“. Ähnlich äusserten sich auch andere Politiker. Den Verlauf der Wahlen in den drei kurdischen Autonomieprovinzen verglichen Beobachter mit einem Picknick.

Um schwere Anschläge zu unterbinden, wurden am Wahltag sämtliche Flughäfen des Landes sowie alle Grenzübergänge geschlossen. Die Armee richtete zusätzliche Kontrollpunkte ein und verbot der irakischen Bevölkerung die Benutzung ihrer Privatwagen. Auch das „traditionelle“ Tragen von Waffen war untersagt. Die drakonischen Sicherheitsvorkehrungen verhinderten das Vordringen von Selbstmordattentätern zu den Wahllokalen.

19 Millionen wählten 6200 Kandidaten aus 86 Parteien

Machtlos waren Polizei und Armee aber gegen den Abschuss von über zwanzig Mörsergranaten und Katjuscha-Raketen, welche in den sunnitischen Wohnvierteln von Bagdad sowie in den Provinzen Anbar und Suleimaniya einschlugen. Bei den vermutlich vom Terrornetzwerk Al-Qaida verübten Anschlägen kamen mindestens 38 Menschen ums Leben. Etwa 70 wurden verletzt. Unter ihnen waren auch sechs Wahlbeobachter.

Fast 19 Millionen Iraker waren gestern aufgerufen, aus rund 6200 Kandidaten aus 86 Parteien 325 Abgeordnete für das Parlament zu bestimmen. Klare Favoriten waren nicht zu erkennen. Mit vorläufigen Ergebnissen wird frühestens in einer Woche gerechnet.

Nach letzten Meinungsumfragen, die allerdings höchst unzuverlässig sind, könnte das Dawa-Bündnis von Regierungschef Maliki die stärkste Fraktion im Parlament stellen. Um zu regieren, ist der schiitische Politiker aber auf Koalitionspartner angewiesen. Die Gespräche über die Regierungsbildung, so heisst es in Bagdad, könnten sich über Monate hinziehen. Es drohe deswegen ein Machtvakuum.

US-Abzug bis August – aber 50.000 „Ausbilder“ bleiben

Hauptkonkurrent von Malikis „Rechtsstaat“-Bündnis ist die von schiitischen Klerus beeinflusste Nationale Allianz, zu der auch der proiranische Mullah Muktada as-Sadr gehört. Säkular orientiert ist dagegen das nationalistische Bündnis Iraqiya, das vom ehemaligen irakischen Ministerpräsidenten Iyad Allawi angeführt wird. Seiner Allianz haben sich die wichtigsten sunnitischen Politiker des Landes angeschlossen. Bei der Suche nach einer tragfähigen Koalition könnte den Kurden-Parteien erneut die Rolle als „Königsmacher“ zufallen.

Mit grosser Spannung werden die Wahlen auch in Washington verfolgt. Bis Ende August sollen die amerikanischen Kampftruppen aus dem Irak abziehen. 50.000 Soldaten, so sieht es eine Vereinbarung mit der irakischen Regierung vor, bleiben als Ausbilder für Polizei und Armee im Irak und sollen Ende 2011 in ihre Heimat zurückkehren. Voraussetzung für dieses Abzugsszenario ist die Bildung einer von allen ethnischen und religiösen Gruppierungen akzeptierten Regierung, die dann für eine Stabilisierung der weiterhin prekären Sicherheitslage sorgen müsste. Ob dies in dem vorgegebenen Zeitrahmen gelingt, ist höchst fraglich.

* Berner Zeitung, 8. März 2010

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