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„Andrej Rubljow“

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Die erst of fix! eile Ankündigung dieses russischen Films war in Heft 8/1965 der Monatsschrift „Sowjetfilm“ (herausgegeben in russischer, englischer, französischer, deutscher, spanischer und arabischer Sprache) zu lesen: „Aus dem fernen, wie von Sehleiern verhangenen Mittelalter grüßen uns halbmythische, legendäre Gestalten, von denen wir nur die Namen kennen, nioht einmal ihr Geburts- und Sterbejahr. Ihr Werk aber bat die Jahrhunderte fiberdauert. Von einem der größten Maler jener Zeit, Andrej Rubljow, wird ein zweiteiliger Film erzählen, an dem jetzt der Regisseur AHdrej Tarkowski — der Hersteller des Films ,Iwanf Kindheit —-„'bei Mosfilm arbeitet...“ In Nummer 9 des gleichen Jahrgangs wurde in einem enthusiastischen Artikel der Kameramann (beider Filme) Wadim Jus Sow vorgestellt, in Heft 5/1966 wurde noch fiber die Aufnahmen berichtet und erstmals Bilder aus dem Film gezeigt, Fotos von großer künstlerischer Intensität und optischer Schönheit, und dieser Artikel schloß mKdftn Wörtern „Wir sffid Jetzt lefiferHäli an den Film zu legen."

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Die erst of fix! eile Ankündigung dieses russischen Films war in Heft 8/1965 der Monatsschrift „Sowjetfilm“ (herausgegeben in russischer, englischer, französischer, deutscher, spanischer und arabischer Sprache) zu lesen: „Aus dem fernen, wie von Sehleiern verhangenen Mittelalter grüßen uns halbmythische, legendäre Gestalten, von denen wir nur die Namen kennen, nioht einmal ihr Geburts- und Sterbejahr. Ihr Werk aber bat die Jahrhunderte fiberdauert. Von einem der größten Maler jener Zeit, Andrej Rubljow, wird ein zweiteiliger Film erzählen, an dem jetzt der Regisseur AHdrej Tarkowski — der Hersteller des Films ,Iwanf Kindheit —-„'bei Mosfilm arbeitet...“ In Nummer 9 des gleichen Jahrgangs wurde in einem enthusiastischen Artikel der Kameramann (beider Filme) Wadim Jus Sow vorgestellt, in Heft 5/1966 wurde noch fiber die Aufnahmen berichtet und erstmals Bilder aus dem Film gezeigt, Fotos von großer künstlerischer Intensität und optischer Schönheit, und dieser Artikel schloß mKdftn Wörtern „Wir sffid Jetzt lefiferHäli an den Film zu legen."

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Von da ab war „Andrej Rubljow" nicht mehr existent.

Wenige Eingeweihte wußten Sagenhaftes über den Film zu berichten, schilderten ihn als eines der bedeutendsten ki netmatographischen

Werke, die je gedreht wurden, dann gab es viele Gerüchte: der fertige Film war verboten worden, das Negativ zerstört, der Regisseur in ein „Sanatorium“ gebracht worden . • Die westlichen Filmfestivals bemühten sich eifrigst uim das Werk: 1967 wurde es für Cannes angekündigt, doch nicht gezeigt (offiziell hieß es „im Einverständnis mit dem Regisseur“ und wegen „künstlerischer Mängel“); Venedig verlangte den Film 1968 — und als die Russen ab- Jehnten, wurde dort überhaupt kein russischer Beitrag angenommen. Erst März 1969 soll „Andrej Rubljow“ im einer halboffiziellen Aufführung in Moskau gestartet worden sein — doch existiert darüber keinerlei Unterlage. Das westliche Ausland bemühte sich jedoch weiter um diesen geheimnisvollsten und verbotensten aller russischen Filme: die Berliner Pegasus-Film erwarb die Rechte für Deutschland und Österreich, erhielt jedoch keine Kopie; das gelang einem geschickten französischen Filmverleiher (die Verbindungen Frankreich-UdSSR waren immer schon besser!), der das Werk

— in einer allerdings gekürzten Fassung, in der beide Teile zuisammen- gezogen und beschnitten waren — außerhalb des offiziellen Wettbewerbs in diesem Jahr in Cannes vor einer kleinen Schar von Fachleuten, edi ten FMimversitändigen (denn nur wenige wußten von der Bedeutung des Films), vorführte — das Echo war einmalig: der Hauptpreis wäre „Rubljow“ sicher gewesen, hätte er im Wettbewerb gezeigt werden dürfen! Und auch die Veranstalter der kürzlichen „Woche des Sowjetischen Films“ in Wien, die Aktion „Der gute Film“, die sich hartnäckig seit fast zwei Jahren um dieses Epos für ihre Veranstaltung bewarben, scheiterten am „Njet“ der Russen: der Film ist noch nicht fertig, der Film ist zu lang, der Film ist ziu brutal, kurz, den Film gibt es gar nicht ...

Was steckt also hinter diesem zweiten Film des 1932 geborenen Andrej Tarkowski, Absolvent der Moskauer Filmhochschule, der mit seinem Regiedebüt „Iwans Kindheit“ bei der XXIII. Internationalen Filmkunstschau in Venedig 1962, alle Konkurrenten weit hinter sich lassend, den „Goldenen Löwen“ eroberte? Was verbirgt sich hinter diesem Schwarzweißfilm (nur der Schluß, der die Ikonenbilder Rubljows zeigt, ist in Farbe) von fast vier Stunden Dauer, über den berühmten russischen Mönch Rubljow, der zu Beginn des 15. Jahrhunderts die schönsten aller Ikonen schuf? Revolutionärer Zündstoff? Gedanken vom Umsturz? Kritik am Regime? Oder einfach — zuviel Wahrheit, wenn auch Vergangenes als Demonsitrationsimodell für Gegenwärtiges dient...

Dieses wirklich geniale Filmwerk, das in seiner künstlerischen Größe nur noch mit den Filmen Eisensteins zu messen ist (am ehesten vergleichbar mit dessen „Iwan der Schreckliche“) und wohl seit dem Tod dieses Meisters das bedeutendste Kino-Opus darstellt, das in der Sowjetunion seither geschaffen wurde, ist ein Bildgedicht, in dem „aus der Tiefe der Zeit, des Leidens und der Hoffnung die Stimme des russischen Volkes zu vernehmen ist wie ein verlorener Duft, der plötzlich am Abend die Gärten am Rande des Meeres überfällt“ (Les Lettres Franęaises). Tarkowski beschreibt in epischer Breite ein vergangenes Jahrhundert, in dem ein Künstler gezwungen ist, seine Position zu überdenken; inmitten der Greueltaten tatarischer Eroberer, der Barbarei des Militär® und des Hochmuts einer weltlichen wie geistlichen Führerschicht aktiviert sich der Widerstand Andrej Rubljows gegen die bestehende Ungerechtigkeit: er verzichtet auf sein Künstlerdasein und schließt sich den Unterdrückten an, bis er im Gießen einer gigantischen Glocke — die zum Symbol der Einheit und des menschlichen Fortschritts wird — wieder seine Berufung verspürt und zu seiner früheren Arbeit zurück kehrt ... Vermutlich ist es diese Darstellung von Greueln, die einem unterdrückten und verängstigten Volk angetan wird, die den Film in der Sowjetunion so gefährlich aktuell erscheint: „Rubljow, der

Ohnmächtige, würde als Prophet einer auch heute nicht verwirklichten, nach wie vor zukünftigen Humanität verstanden werden“ (Süd - deutsche Zeitung).

Am Morgen des Tages, als der Film in Cannes gezeigt wurde, verließen alle Russen das Festival. Sie werden wiederkommen — denn die Macht des Geldes, westlicher Devisen, wiegt stärker im Osten als alle absurden bürokratischen Verbote. Und auch dieses Werk kapitaler Bedeutung, das eine Erneuerung der sowjetischen Kinematographie ankündigt wie kein zweites, offiziell hochgelobtes, wird einmal bei uns zu sehen sein. Bis dahin teilt Andrej Tarkowski das Schicksal Eisensteins, dem es jahrelang ebenfalls nicht vergönnt war, Filme zu machen oder sie fertigzustelien, ihre Aufführung zu erleben — gibt es einen ehrenvolleren Vergleichsmaßstab? Der Künstler ist eingespannt in ein Netz von Abhängigkeiten, von seiner Kunst wird eine ideologische Punktion im Sinne der Herrschiemden verlangt — das ist das Themia von „Andrej Rubljow“ und das Schicksal Andrej Tarkowski s, doch nicht nur seines: hier begegnen einander Ost und West...

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