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Die Alten und die hingen

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In Deutschland gibt es zwei generationsmäßig verschiedene Kreise von Personen, die für den Nationalismus anfällig sind. Es handelt sich einmal um ehemalige Nationalsozialisten, die nunmehr seit 21 Jahren ihre politische Unfähigkeit bescheinigt erhalten. Da Presse, Rundfunk! und Fernsehen einen nicht unerheblichen Teil ihrer Aufgabe in der Anprangerung des Nationalsozialismus sehen, so ist diese Wunde nie vernarbt. Mancher ehemalige Nazi, der 1945 einsichtig war, ist es heute nicht mehr. Der zweite Kreis umfaßt deren Söhne, die von ihren Eltern Mißtrauen gegen Demokratie und zeitgeschichtliche Betrachtungen eingeimpft bekamen und die heute bereit sind, vieles von dem, was von den Untaten des Nationalsozialismus • berichtet wird, für glatten Schwindel zu halten. Dazu kommt das Beispiel de Gaulles, dessen archaischer Nationalismus in Deutschland ungute Früchte trägt, zumal er mit seiner unbestritten ebenso erfolgreichen wie autoritären Staatsführung lieb gewonnenen Vor- ftellungen entspricht. Ist die ältere

Generation offenbar nicht zu überzeugen gewesen, so stellt sich die junge doch als ein besonderes Problem dar.

Wenn 21 Jahre politische Aufklärung und Erziehung in größerem Umfang vor nationalen Parolen primitiver Art nicht, immun zu machen wußten, dann dürfte einiges an dieser Erziehungsarbeit verbesserungsbedürftig sein. In der Tat ist da durch ein Trommelfeuer auf die „unbewältigte Vergangenheit“ des Guten mitunter zuviel getan worden. Es wäre daher wünschenswert, wenn diese Aufklärungsarbeit in Zukunft gezielter und abgeklärter vor sich ginge. Ein Teil der nationalistischen Welle ist ja jugendlicher Widerspruchsgeist. Die Bewährung der Demokratie liegt in der Gewinnung dieser Belehrbaren.

Kein Parteiverbot!

Im politischen Raum wäre nichts so verhängnisvoll wie das mancherorts bereits geforderte Partei verbot. Es hat sich in den letzten Jahren herausgestellt, daß die stille, nicht greifbare Unterwanderung durch

Nationalisten und in autoritären Vorstellungen lebende Personen ungleich gefährlicher ist als eine eigene nationalistische Partei. Sie kann in einer Partie Intoleranz, autoritäres Denken und Erfolgsanbeterei festsetzen, so daß sie von innen her gefährlich ist. Derartige Tendenzen sind in den letzten Jahren in allen großen deutschen Parteien spürbar geworden. Demokratie läßt sich aber nur durch Demokraten verteidigen. Ein Parteiverbot wäre dazu das ungeeignetste Mittel.

Es könnte so gesehen sogar recht vorteilhaft sein, wenn sich die Gleichgesinnten in ' einer eigenen Partei formierten. 10 bis 15 Prozent politische Hasardeure muß eine Demokratie vertragen können. Die in allen großen Parteien besonders aktiven Flüchtlingsgruppen haben gezeigt, welche Lähmung von einer

Unterwanderung ausgehen kann. Sie im wesentlichen haben es bisher verhindert, daß im politischen Bereich die Denkschrift der evangelischen Kirche Deutschlands über die deutschen Ostgebiete diskutiert wurde. Eine Flüchtlingspartei hätte dies nie erreichen können. So aber, wo der Verlust von ein paar Prozent Wählern den Verlust der Herrschaft bedeuten kann, sind beide Parteien unfähig, darüber zu reden. Sie haben es auch hingenommen, daß über die Flüchtlingsverbände eine ganz handfeste nazistische Unterwanderung bei SPD und CDU einsetzte. Würden diese zur NPD abwandern, so würde die deutsche Politik vielleicht an Aktionsfreiheit gewinnen.

Voraussetzung wäre freilich das Ausmaß an politischem Einfluß, den die NPD gewinnen könnte. Mit wenig Phantasie läßt sich nämlich eine Situation vorstellen, in der eine NPD von 10 bis 15 Prozent politisch gar nicht ungefährlich wäre. Schon jetzt spielt die FDP mit Erfolg das Zünglein an der Waage. Die NPD könnte leicht in eine ähnliche Lage geraten. Dann wird es sich erweisen müssen, ob der in "Deutschland gepflegte Antimarxismus stärker ist als der Wille zur Demokratie. An Ausreden wie „man müßte die NPD an die Macht gewöhnen und sie verschleißen“ usw. wird es dann nicht fehlen. Es ist auch zu erwarten, daß die in Westdeutschland besonders blinde Industrie in dieser Richtung agieren wird. Schließen sich aber die demokratischen Parteien gegen die nationalistischen Schreier zusammen, so könnte dies tatsächlich in Deutschland eine echte Bewältigung der Vergangenheit einleiten, von der bisher so viel gesprochen wurde. Eine nationalistische Partei würde sehr bald ihre demokratischen Gegenspieler zu genaueren Formulierungen und zum Überdenken ihrer geistigen Position zwingen. Ja, sie könnte ein Hecht im Karpfenteich werden. Dies wäre dann die Stunde der Bewährung für unsere Demokratie, die ohne eine solche in Deutschland immer den Beigeschmack von einem Leben unter der Glasglocke hat.

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