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Als die schrille Netta aus Israel mit ihrem Selbstermächtigungslied am Wochenende den Songcontest gewann, da zeigte sie ein Gesicht Israels, das viel zu oft übersehen wird. Jenes der Weltoffenheit und einer sehr jungen liberalen Gesellschaft. Sogar Verteidigungsminister Avigdor Lieberman konnte nicht an sich halten und ihr gratulieren. Aber seine Gratulation enthielt auch das schizophrene Drama der israelischen Wirklichkeit: Er brauchte gerade einmal eine knappe Zeile, um die Gratulation an die Gewinnerin in eine Schmähschrift gegen den Iran zu verwandeln. Und er war nicht der Einzige, der aus dem Sieg der Kunst Kapital für den Konflikt schlagen musste.

Und dann noch 70 Jahre Staatsgründung Israels: ein Grund zum Feiern, sicher. Aber es ist kein Erfolgsausweis, wenn eine Hälfte der Bewohner eines Gebiets ein Datum bejubeln, das die anderen als Beginn der "al-Nakba", der Katastrophe beweinen. Folgerichtig findet der Freudentanz bis an die Zähne bewaffnet statt und mit Gewehrfeuer am Gazastreifen, wo 60 Palästinenser erschossen werden. Wer kann Frieden machen? Das ist eine beinahe schon abgegriffene Frage. Die Antwort wäre wohl die Folgende: Der Anstoß zum Frieden muss von der mächtigeren Konfliktpartei ausgehen.

Der Mächtigere macht den Frieden

Der Mächtigere bestimmt im Wesentlichen die Spielregeln, er findet sich bereit, nachzugeben oder Kompromisse zu finden, wie das auch beim Friedensabkommens von Oslo der Fall war. Und das funktionierte. Die Folge: Jahre des Friedens und der Prosperität in den palästinensischen Gebieten, Jahre der Krise für die Hamas und andere Verhetzer.

Der Mächtigere ist auch heute Israel. Aber es will nicht teilen und nichts geben, weder die besetzten Gebiete im Westjordanland noch irgendeine wenigstens symbolische Art der Entschädigung für die Vertriebenen (denn mehr kann es nicht sein). Nein, Israel will alles.

Und es bekommt tatsächlich alles: Seine Siedlungen in besetztem Land, sein Jerusalem. Und Millionen verzweifelte, verarmte, hoffnungsferne Palästinenser dazu -samt den letzten Profiteuren dieses Elends: Den Hasspredigern und Attentätern.

Das ist der seltsame politische Handel, den die allermeisten der israelischen Regierungen seit 1948 eingegangen sind und eingehen: Sie wollen alles -und bekommen dafür Krieg und Terror. Sie haben damit unfreiwillig ihre Signatur nicht nur unter die Totentafeln jener Palästinenser gesetzt, die Israel seit seiner Staatsgründung mit Mord und Totschlag heimgesucht haben. Sie haben auch die Todesurkunden ihrer eigenen Bürger mitunterschrieben, die in diesen Attentaten, Intifadas und Kriegen sterben.

Und das "andere" Israel? Das nette Israel von Netta? Sie singt doch so emotionsgeladen ihr "Stupid boy, I am not your toy" hinaus in die israelische Welt. Aber warum sollten die ordinären "stupid boys" das denn verstehen, wenn nicht einmal die Politiker verstehen, dass das Leben der Bürger im 21. Jahrhundert kein Spielball in einer Blutfehde ist, die noch dazu an Sinnlosigkeit nicht mehr überbietbar ist? Seit 70 Jahren.

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