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Weltausstellung 1967

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Uber das deprimierende Ergebnis dieses Architekturwettbewerbs mag der Umstand hinwegtrösten, daß die Auswahl der geladenen Architekten nicht repräsentativ war. Aber einer solchen Aufgabe hat kein „geladener“, sondern ein allgemeiner Wettbewerb voranzugehen. Die Entscheidung der Jury war — die Auswahl vorausgesetzt — vertretbar; die drei ex aequo ausgezeichneten Projekte sind die tatsächlich diskussionswürdigen.

Gustav Peichls Argumente für einen Kugelbau behalten recht: Zunächst interessiert sein Projekt am meisten. Es ist ja auch richtig, daß die Kugel der einfachste geometrische Körper ist; in der Architektur freilich hat man schon bessere Kugeln gesehen. Diese ähnelt auf den ersten Blick dem berühmten Entwurf von Ledoux (1780): was allerdings damals bedeutsame Entscheidung war, ist heute bloß persönliche Willkür. Was die Qualität des Entwurfs ausmachen würde, nämlich, wie die Kugel auf dem Boden lagert (was ihre übrige Struktur weitgehend bestimmt), ist hier wenig durchgearbeitet. Die massiven Fußstützen läßt Peichl in den Ansichten geschickt weg;aber auch so ist der Anblick nicht befriedigend.

An Karl Schwanzers Projekt ist der Grundgedanke bemerkenswert, nicht von einer Baugestalt, sondern von Licht- und Projektionseffekten auszugehen. Hier läge die Qualität vor allem in der Auswahl und Kombination des Gezeigten; Österreichpropaganda ist wohl kein ermutigender Gesichtspunkt. In der Diskussion über dieses Projekt herrscht ganz offenbar nicht die richtige Vorstellung von der Reaktion des Publikums: Man stelle sich einen Raum vor, in dem alle österreichischen Kulturfilme gleichzeitig gespielt werden. Dem Entwurf ist ein Drehbuchbeispiel, sozusagen ein Partiturausschnitt, beigefügt. Auf fünf Projektionswänden wird auf verschlungenen, aber aus Kulturfilmen vertrauten Assoziationswegen ein Höhepunkt erreicht, an dem „Stille Nacht“ erklingt. Zur Rede gestellt, würde Schwanzer — mit Recht — entgegnen, daß die Leute, wenigstens die Geldgeber, so etwas gern haben. Er würde aber — genauer befragt — gewiß meinen, daß „Stille Nacht“ die schönste Musik sei. Er hat zum Kitsch so viel Distanz, als zur prompten Lieferung nötig ist.

An Roland Rainers Entwurf ist nichts von Aufreißertum; er steht glaubwürdig neben den übrigen Arbeiten des Architekten. Er ist auch der realste von den dreien: und bietet doch Raum für alles, was offizielle Stellen noch einfallen könnte. Ein Heurigenhof mit Tischen und Bänken; da kann man den Toni Karas hinsetzen. Ein normaler Kinosaal mit Sitzen; da kann man die Filme von Willi Forst spielen. Rainer bietet auch ein überschaubares Ausstellungskonzept: Österreichs Kunst, Literatur und Wissenschaft seit der Jahrhundertwende. Vielleicht könnte der Grundriß noch leichter erfaßbar werden. Der Entwurf mag keine Offenbarung sein; aber er übernimmt sich nicht. Wer ernsthaft unsere bescheidenen Mittel, die Bedeutung der Aufgabe und das Werk des Mannes, der unser Land vertreten soll, erwägt, wird sich für dieses Projekt entscheiden.

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