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Die Bittsteller

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Im Budget für das Jahr 1971 wurde die Position „Wahlen“ im Budgetkapitel Inneres mit dem ungewöhnlich hohen Betrag von rund 10 Millionen Schilling dotiert: Als Finanzminister Doktor Androsch damals, 1970, darauf angesprochen wurde, meinte er mit scheuem Lächeln, dies hätte gar nichts zu besagen. Spätestens seit dem Zeitpunkt, da die sozialistische Regierung das Parlament heimschickte, darf jedenfalls vermutet werden, daß die Fixierung des Wahltermins auf „einen Sonntag im Oktober“ seitens der SPÖ und der von ihr gestellten Regierung schon zu einem Zeitpunkt geplant war, da die Wähler noch mit einem gewissen Interesse das Experiment einer Minderheitsregierung samt ihren tollkühnen Kunststücken verfolgten.

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Im Budget für das Jahr 1971 wurde die Position „Wahlen“ im Budgetkapitel Inneres mit dem ungewöhnlich hohen Betrag von rund 10 Millionen Schilling dotiert: Als Finanzminister Doktor Androsch damals, 1970, darauf angesprochen wurde, meinte er mit scheuem Lächeln, dies hätte gar nichts zu besagen. Spätestens seit dem Zeitpunkt, da die sozialistische Regierung das Parlament heimschickte, darf jedenfalls vermutet werden, daß die Fixierung des Wahltermins auf „einen Sonntag im Oktober“ seitens der SPÖ und der von ihr gestellten Regierung schon zu einem Zeitpunkt geplant war, da die Wähler noch mit einem gewissen Interesse das Experiment einer Minderheitsregierung samt ihren tollkühnen Kunststücken verfolgten.

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Aber die Unpopularität der vorzeitigen Wahlen zum Nationalrat liegt auf der Hand. Nicht allein der Wähler hat etwas gegen sie einzuwenden, nein: vor allem genannten undungenannten Finanziers von politischen Parteien und Wahlkämpfen kommen sie äußerst ungelegen. Die Industriellenvereinigung, beispielsweise Mäzen wider Willen, doch mit guten Gründen, hat schon sehr früh in offiziellen Äußerungen zu verstehen gegeben, wie wenig Geschmack sie vorverlegten Wahlen abgewinnen kann. Dies hat neben der Kostenfrage noch einen anderen gewichtigen

Grund: noch immer und jetzt erst recht sollen einflußreiche Kreise der Industrie darauf drängen, angesichts der sich abzeichnenden Bildung einer kleinen Koalition zwischen SPÖ und FPÖ nach den Wahlen die finanzielle Zuteilung an die FPÖ auf Kosten der ÖVP um den Preis des Wohlverhaltens gegenüber Vorstellungen der Industrie stark zu erhöhen. Vor allem Vorarlberger und Tiroler Industrielle sollen sich mit dieser Forderung stark gemacht haben. Dabei wird gerne auf die feste Haltung der FPÖ gegen das Arbeitszeitgesetz und die gesetzliche Neuregelung der Abfertigungen hingewiesen. Die Traditionalisten innerhalb der Industriellenvereinigung, zu denen etwa Präsident Dr. Mayer-Gunthof und Generalsekretär Dr. Kottulinsky zählen, stemmten sich aber bislang und mit Erfolg gegen diesen Plan. Die Würfel sind in dieser Frage aber noch nicht gefallen; freilich: die Tatsache, daß sie überhaupt auf das Tapet kam, schafft der ÖVP-Spitze neben dem aus Gründen der Profilierung zu früh angesetzten Wahltermin erheblichen zusätzlichen Kummer.

Das Wahlkampfabkommen

Ein Wahlkampf ist teuer, sehr teuer. Die Ausgaben für den letzten Nationalratswahlkampf dürften nach glaubhaften Schätzungen für die drei im Parlament vertretenen Parteien insgesamt etwa 120 Millionen Schilling betragen haben. Dieser Wahlkampf dürfte etwas billiger kommen, weil er kürzer werden dürfte und weniger Platz auf Plakatwänden frei ist. Die Ersparnis dürfte dennoch kaum höher als bei 20 Prozent des 1970 ausgegebenen Gesamtwerbe- etats liegen. Obendrein hat die Teuerungswelle auch die Preise für die Leistungen der Werbewirtschaft nicht verschont. So unpopulär das plakative Propagieren politischer Zielvorstellungen ist, so zwingend notwendig ist es für die politischen Parteien in einer oligopolitisch strukturierten Marktform, Stimmenanteile zu verteidigen und neue Stimmen zu erschließen.

Vorläufig begnügt man sich mit Wahlkampfabkommen; man meint damit, der Weisheit letzten Schluß gefunden zu haben, und wurstelt sich im übrigen von Wahlkampf zu Wahlkampf zwischen leeren Parteikassen fort. Die Parteien versprechen einander Fairneß, Beschränkung der Werbeausgaben, kurze Wahlkämpfe und sonst allerlei, von dem sie annehmen, daß es den Wählern wie Musik in den Ohren klingt. Sicherlich ist der Wähler besser als der Ruf der politischen Parteien, weil er optimistisch genug ist, alle Zusagen von politischen Parteien in Wahlkämpfen nicht so tragisch zu nehmen, wie sie gelegentlich sind. Wahlauseinander setzungen sind ein notwendiges Element der Demokratie; Parteinahme, Kampf, Leidenschaft — ira et Studium — sind das Element der Politiker. Die sinnvolle Organisation von derlei Dingen ist die Aufgabe von politischen Parteien. Daß das Geld, viel Geld, kostet, ist logisch genug.

Nicht zuletzt deshalb hört sich das Argument von ÖVP-Generalsekretär Kohlmaier gegenüber der „Furche“ vernünftig an, daß man die Diskussion über eine öffentliche Parteien- flnanzierung wieder aufnehmen solle: „Wenn wir die Parteien nicht in die Situation drängen wollen, entweder ständige Bittsteller bei verschiedenen Organisationen zu sein oder sich darauf zu verlegen, möglichst lukrative Wirtschaftsbetriebe zu führen, sollte man diese Probleme mutig aussprechen und offen diskutieren..

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