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Die Parteikassenschmierung

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Wer den italienischen Erdölskan-dal verfolgt, wird immer mehr an Schillers berühmten Satz vom „Fluch der bösen Tat“ erinnert. Haben zwei junge Untersuchungsrichter den Beweis erbracht, daß hohe Beamte und sämtliche Parteien durch ausländische und italienische Erdölgesellschaften seit Jahr und Tag bestochen wurden, so besteht wenig Aussicht, daß diese Aufdek-kung einer bedenklichen Wahrheit einen Läuterungsprozeß einleitet. Vieles spricht dafür, daß das Gegenteil der Fall sein wird.

Die Verantwortlichen der sieben großen, über das ganze Land verteilten Parteien bestreiten keineswegs, daß sie allesamt Geldbeträge angenommen haben. Die Meinungen gehen nur darüber auseinander, wie sehr sich die einzelnen Mitglieder schmieren ließen und welche Auflage mit der Annahme der Milliardenbeträge verbunden war. Daß die Erdölgesellschaften all dies gratis getan haben, gewissermaßen aus Liebe zur italienischen Demokratie, (die wie überall vom freien Spiel der Kräfte lebt), überzeugt niemanden.

Die Genaralsekretariate der sieben großen Parteien warteten aber nicht, bis sie von der jungen Garde der italienischen Justiz in Acht und Bann erklärt werden, und erbrachten eine Art indirekten Unschuldsbeweis: die für die Demokratie so wichtigen Parteien kosten Geld, sagen sie. Versagt der Staat über seine Vertreter im Parlament die öffentliche Finanzierung der Parteien, so sehen sich diese genötigt, das Geld dort zu nehmen, wo es angeboten wird. Unter diesem Vorzeichen erhallten auch in Italien alle Vorstöße zur öffentlichen Finanzierung der Parteien neuen Auftrieb. Der Sprecher der Democrazia Cristiana, Piccoli, versucht noch Abgeordnete und Senatoren anderer Parteien für einen entsprechenden Gesetzesentwurf zu gewinnen.

Ganz und gar nicht etaverstanden damit ist hingegen der sozialdemokratische Abgeordnete Orlandi. Er verweist auf die Gefahr, daß die öffentliche Finanzierung der Parteien einfach neben statt an Stelle der bisherigen geheimen Finanzierung durch private Gesellschaften betrieben werde. Ausgerechnet in einem Augenblick, da die Staatskassen ohnehin leer sind, müßte die Öffentlichkeit für die Parteien jährlich wenigstens 120 Milliarden Lire (3,6 Milliarden Schilling) aufbringen, ohne daß Gewähr bestünde, daß der Hinterrücksunterstützung von Seiten interessierter Kreise der privaten Wirtschaft und der halbstaatlichen Konzerne ein Riegel vorgeschoben werden könnte.

Orlandi möchte wenigstens erreichen, daß die Parteien bei ihren Kongressen die Bilanz vorlegen und daß alles eingesehen und überprüft werden könnte. „Seien wir wenigstens in dieser Hinsicht gute Europäer“, meinte Orlandis Parteifreund Cariglia unter Anspielung auf die Tatsache, daß das, was In der Europäischen Gemeinschaft schon längst üblich ist, auch in Italien durchgesetzt werde. Kritische Beobachter geben allerdings zu bedenken, daß Bilanzen sowie Statistiken leicht gefälscht werden könnten und daß bisher nirgends ein Kraut gewachsen sei, um die Unehrlichkeit der Menschen auf Institutionellem Weg aus der Welt zu schaffen.

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