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SLOWENIEN: POLITISCH ERWACHTE MENSCHEN

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Um die heutigen politischen Zustände in der Republik Slowenien und die Rolle der Parteien, die sich in ihren Programmen auf die christlichen Werte und die Soziallehre der Kirche berufen, besser zu verstehen, müssen wir von vornherein auf die Zustände vor dem Sturz des Kommunismus aufmerksam machen. Die Folgen des kommunistischen Regimes sind schwer, obwohl sich die slowenische kommunistische Partei früher als die anderen Parteien für die Reformen und die Öffnung gegenüber dem Westen entschlossen hat.

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Um die heutigen politischen Zustände in der Republik Slowenien und die Rolle der Parteien, die sich in ihren Programmen auf die christlichen Werte und die Soziallehre der Kirche berufen, besser zu verstehen, müssen wir von vornherein auf die Zustände vor dem Sturz des Kommunismus aufmerksam machen. Die Folgen des kommunistischen Regimes sind schwer, obwohl sich die slowenische kommunistische Partei früher als die anderen Parteien für die Reformen und die Öffnung gegenüber dem Westen entschlossen hat.

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45 Jahre sind eine lange Zeit. Die neuen Generationen von Menschen, auch Christen, die aus dem gesellschaftlichen Leben vertrieben waren, hatten keine Erfahrung des politischen Handelns. Die einzigen Möglichkeiten zum Formen des kritischen gesellschaftlichen Denkens waren einige Zeitschriften (2000, Prostor in cas -Der Platz und die Zeit, Tretji dan -Der dritte Tag) und die Religionsgruppen im Rahmen der kirchlichen Studentenpastoral. Die Mehrheit der heutigen jungen Politiker in SKD (Slowenische Christdemokraten) und SLS (Slowenische Volkspartei) - wie Peterle, Podobnik, Bizjak, Polajnar und die anderen - sind aus der katholischen Studentenbewegung in den siebziger Jahren hervorgegangen.

Nach der demokratischen Wende im Jahre 1989 haben sich die slowenischen Christen (72 Prozent der gesamten Population) für verschiedene politische Richtungen entschieden, die Mehrheit aber für die damalige Bauernpartei (heutige Volkspartei) und für die Slowenischen Christdemokraten.

Die Amtskirche hat sich nie direkt in die Politik eingemischt. Ihre Vertreter, Bischöfe und verschiedene Kommissionen, haben aber mit ihren

Lojze Peterle: Erziehung zur Verantwortung (Gürer) Stellungnahmen und Erklärungen entschieden die demokratischen Veränderungen unterstützt und die Gläubigen ermutigt, die Angst sowie angeordnete Passivität zu überwinden und sich im Einklang mit der Religionsüberzeugung aktiv in die Arbeit für das allgemeine Wohl einzugliedern.

Unglückliche Spaltung

Die Ergebnisse der letzten Wahlen vom 6. Dezember vergangenen Jahres haben gezeigt, daß sich die Spaltung der Parteien, die sich auf das christliche Ethos berufen und ähnliche Programme haben, als sehr schwerer politischer Fehler erwiesen hat. Hätten sich die SKD, SLS und einige kleinere Parteien vereinigt oder eine feste Koalition gebildet, hätten sie die Wahlen gewinnen können.

Eine Vereinigung oder feste Verbundenheit dieser ideenverwandten Parteien wäre auch jetzt von Nutzen, besonders bei der Frage einer Mitwirkung in der Regierungskoalition mit den Liberaldemokraten von Janez

Drnovsek.

Die Amtskirche mischt sich nicht in die konkreten Gespräche über mögliche Koalitionen ein. Auf der prinzipiellen Ebene vertrüt sie aber die Position, nach der die Parteien, die sich in ihren Programmen auf die kirchliche Soziallehre und das christliche Ethos berufen, einheitlich auftreten sollten, wenn sie sich schon nicht vereinigen können oder wollen.

Die Programme von SKD und anderen verwandten Parteien sprechen

über die moralische Erneuerung, die die Menschen zu Verantwortung, Suche nach der Wahrheit und Gerechtigkeit führen soll, über die Freude am Leben, die Erneuerung der Familie, über die neue Politik, die vor allem Dienen und ein Teil der Kultur sein soll, über die wirtschaftliche Erneuerung auf der Basis des Privateigentums und neuen Genossenschaften, über die gesellschaftliche Erneuerung, die zu neuen Beziehungen zwischen Individuum und der Gesellschaft sowie dem Staat führen soll.

Lojze Peterle, der Präsident der SKD, hat in seinem Vortrag über die gesellschaftliche Vision der Christen in der slowenischen Politik am 2. Jänner in Tainach in Kärnten ein wenig ironisch gesagt, daß wir in Gedanken und Worten schon sehr weit gekommen sind. „Was ist aber mit den Taten? Ich denke dabei an die Verwirklichung der Vision. Hier macht sich bemerkbar, daß die slowenischen Christen sozial und politisch noch nicht aufgewacht sind. Dem Rezept nach würde man schon was machen, aus eigener Initiative und Innovation jedoch wenig. Die Ebene der politischen Kultur ist niedrig. Die Erziehung zur Verantwortung für die Welt ist deswegen die erste Aufgabe, die nicht bei der Aufzählung von christlichen Dokumenten und Moralprinzipien steckenbleiben darf.”

Zur ähnlichen Schlußfolgerung kommen wir in der Vereinigung der slowenischen katholischen Journalisten sowie in der Medienkommission der slowenischen Bischofskonferenz.

Darum bemühen wir uns bei der katholischen Wochenzeitung „Druzina” (Die Familie), die slowenischen Katholiken zu einem aktiven Mitformen einer gemeinsamen Zukunft zu ermutigen. Dabei betonen wir drei Verpflichtungen: jene des Informationswesens, der Verpflichtung zur Wertung und der Verpflichtung zu kritischem Urteil.

Opferbereitschaft fehlt

Auf diese Weise versuchen wir den Lesern bei ihrer unparteiischen, kritischen Bewertung und bei verantwortlichen Entscheidungen im öffentlichen Leben zu helfen. Auf die SKD, SLS und andere verwandte Parteien wartet noch harte Arbeit. Die festgesetzten Ziele sind nicht durch Lauheit oder Passivität zu erreichen.

„Je mehr es die politisch erwachten und moralisch begründeten Menschen, die ihr Fach kennen, geben wird, je weniger es Moralismus, Naivität, unüberzeugte Prinzipien geben wird, desto schneller wird die Vision verwirklicht sein. Desto früher werden wir aus Verteidigungs-und prinzipiellen Haltungen in die freie und souveräne Mitgestaltung unserer Gesellschaftsrealität übergehen und mit Stolz sagen können, daß sie auch nach unserem Maß gebaut wird.” So beendete Lojze Peterle seine Gedanken im vorhin erwähnten Vortrag.

Mit seinen Stellungnahmen ist die Mehrheit der slowenischen Christen einverstanden. Leider zeigt die Realität, daß es in der Kirche wie in der Gesellschaft und bei politischen Parteien an Menschen fehlt, die für diese Ziele ein wenig Zeit und Kraft zu opfern bereit sind. Andererseits dürfen wir nicht ungeduldig sein. Denn alles, was wir in der Republik SloweL nien in den letzten drei Jahren erreicht haben, auch mit Hilfe der Christdemokraten, ist doch beeindruckend.

Dr. Janez Gril ist Chefredakteur von „Druzina”.

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