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Ein anderes Gleichgewicht?
Nach den Bestimmungen der Verlassung unseres Landes wird dieses durch ein physisches Staatsoberhaupt und nicht etwa durch ein anonymes Kollektiv repräsentiert. Wenn man sich den Wortsinn von Repräsentation überlegt, hat man nun Anlaß, zu vermuten, daß ein Staatsoberhaupt in seiner Person das Wesentliche eines Volkes präsentieren soll, vor allem seine geistige Grundhaltung.
Von beiden Regierungsparteien wird die Tatsache, daß Österreich formell ein katholisches Land ist, kaum bestritten, auoh nicht von den Sozialisten. Das bedeutet, daß die österreichischen Sozialisten anerkennen, daß die Mehrheit ihrer Wähler Katholiken mehr oder minder stark ausgewiesener Gläubigkeit, zumindest aber Formal-Katho-liken sind. Dieser Sachverhalt ist auch ein Instrument in der Propaganda für den sozialistischen Präsidentschaftskandidaten geworden.
Die Demokratie muß sich in einer parlamentarischen Ordnung zuvorderst in den Parteien selbst verwirklichen, soll man ihrem Bekenntnis zur Demokratie, die stets nur Mittel, eine Methode der Durchsetzung politischen Willens sein kann, Glauben schenken können.
Wenn man sich die Angehörigen der sozialistischen Führungsgremien ansieht, kann man nicht behaupten, daß sich die konfessionelle Zusammensetzung des Parteienvolkes in der Führungsspitze ausdrückt. Mit dem Abgang von Franz Olah ist der letzte Katholik auf höchster Führungsebene verschwunden, so daß die SPÖ nunmehr von keinem einzigen Katholiken mitgeführt wird. Die sozialistischen Katholiken haben in der SPÖ zwar die Rechte von „Eingeborenen“, aber bisher keine Führungslegitimation.
Dieser Tatbestand hat sich auch diesmal bei der Wahl des SPÖ-Kandidaten für die Präsidentenwahl gezeigt.
Gleichzeitig wird der mit der Zeit provokative Versuch unternommen, als Wahlargument die Idee vom „Gleichgewicht“ zu beschwören. Demokratie heißt aber prinzipiell nicht „egalite“ der Führungsohancen, das heißt Vereinigung eines Machtausgleiches, sondern gesicherte Gewißheit, daß eine Mehrheit von ihnen als Repräsentanten im Interesse aller Bürger genützt wird und eine Mehrheitspartei ihre Ablöse durch eine neue Minderheit erduldet. Von einem „Gleichgewicht“ steht dagegen nichts in unserer Verfassung.
Für die Katholiken aber ist es allmählich beleidigend und der Gestaltung des neuen Verhältnisses von Kirche und Sozialismus keineswegs förderlioh, wenn durch die Übung bei Auswahl des Kandidaten für das höchste Amt im Staat deklariert wird, daß ein Gleichgewicht zu einem katholischen Kandidaten nur von einem Nichtgläubigen hergestellt werden kann.
Die offene, von pastoralen Erwägungen bestimmte Haltung der „Furche“ zu einem nichtmarxistischen, freiheitlichen Sozialismus war vielfach Anlaß zu herber Kritik. Das Konzil hat freilich jene Form der Offenheit, wie sie von der „Furche“ publizistisch praktiziert wurde, mit großer Mehrheit und keineswegs aus Gründen der Taktik gebilligt
Offenheit gegenüber dem Sozialismus bedeutet aber nicht Offenheit gegen jede Form von Sozialismus, nicht gegen einen atheistischen Marxismus, dessen Positionen man wohl verstehen, aber nicht billigen kann. Das katholisch-sozialistische Gespräch wird auf einseitige Zugeständnisse von katholischer Seite herabgewürdigt, wenn die Sozialisten in der Praxis die Religionslosigkeit zur offiziellen Parteiweltanschauung erklären, obwohl das Programm der Partei deren Mitglieder auf einen weltanschaulichen Pluralismus verpflichtet. Die Hinweise auf das Parteiprogramm, das den Sozialismus als einen Katalog von Weltanschauungen deklariert, werden jedoch durch die Praxis ad absurdum geführt, dadurch, daß in der Realverfassung der SPÖ nach verheißungsvollen Anfängen dem gläubigen Christen neuerlich keine angemessene Position zuerkannt wird.
Die Tatsache, daß die SPÖ auch diesmal den alten Bräuchen folgt, ist formell ein Anachronismus, wenn man dem Parteiprogramm der SPÖ Glauben schenken soll; in ihm ist kein Hinweis darauf zu finden, daß es in der Partei ein Vorrecht bestimmter Herrschenden gibt, denen die Macht zusteht, und daneben die „dienende“ Klasse der braven SPÖ-Christen, die ihre übel vermerkte weltanschauliche Abweichung in Richtung auf ein Bekenntnis zur Kirche durch innerparteiliches Wohlverhalten kompensieren können.
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