Glauben aus Erfahrung

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"Glauben heißt nichts wissen", sagt der Volksmund - und bestätigt sich in der jüngsten Umfrage des Linzer imas-Instituts über das, woran Österreicher glauben, gleich selbst. Danach scheint sich Glaube bestenfalls als lose Sammlung dunkler Erinnerungsfetzen aus einer fernen Kindheit zu erweisen: zum Beispiel ein bisschen Jesus als Gottessohn geboren (30%), ein bisschen seine Auferstehung (31%), ein bisschen Leben nach dem Tod (40%), möglicherweise in der Form ständiger Reinkarnation (24%). Das sind eben die Dinge, mit denen man Erfahrung hat: die stimmungsvolle Weihnachtszeit, Fleischweihe zu Ostern - und Tag für Tag die Todesanzeigen mit den Kreuzen in den Zeitungen.

Was kann man daraus lernen? Dass es nur möglich ist, an das zu glauben, womit man Erfahrung hat. Stellt sich die Frage, warum es in Österreich offenbar so wenig Erfahrung gibt mit dem, was Gottes geoffenbarte Frohbotschaft sonst noch zum Inhalt hat: die befreiende Wirkung der Versöhnung zum Beispiel; der Reichtum, der durch Teilen und Verzicht entsteht; der Sieg über den Tod durch Jesu Auferstehung, der alle Anti-Tod-Genetik-Forschungsprogramme überflüssig macht; dass Glauben, weil er mehr mit Vertrauen zu tun hat als mit Wissen, nur zur Vollkommenheit gelangt, wenn er als Gottes-und Menschenliebe gestaltet wird. Auch im Islam hat das für "Glaube" verwendete arabische Wort iman - auch wenn's in unseren Tagen schwer nach zu vollziehen ist - die Bedeutung "Vertrauen schenken" und bezeichnet sowohl den Akt als auch den Inhalt des Glaubens an Gott.

Auf jemanden zu vertrauen, von dem man nichts weiß, mag bei Menschen unvernünftig sein, nicht aber bei Gott, von dem man ohnehin nichts wissen, sondern ihn nur erfahren kann.

Der Autor ist Wissenschaftlicher Direktor der Joanneum Research Forschungsgesellschaft in Graz.

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