Integration ist keine EInbahnstrassE

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"Assimilation wird als eine 'Verschmelzung' mit der Aufnahmegesellschaft definiert. Aber ist das überhaupt das Ziel?

Er fühlt sich in Österreich integriert und anerkannt. In manchen Situationen wird er aber nach wie vor benachteiligt.'Auf Ämtern und in der Arbeit lassen sie es dich spüren', sagt Arash.

'Heute reden viele von Integration, meinen aber Assimilation', ist Caritas-Präsident Michael Landau überzeugt. Dabei sollte die Frage doch eigentlich nicht lauten:'Schnitzel oder Kopftuch?'"

Ein kalter Nachmittag liegt über der Stadt Salzburg. Die letzten Sonnenstrahlen tauchen die Festung in ein magisches Licht, Schnee liegt auf den Bergen. Arash steht am Fenster und beobachtet das Schauspiel. Er ist gebürtiger Iraner. Vor über 20 Jahren kam der heute 45-Jährige nach Österreich. Salzburg war der erste Ort, den er sah. Später war er in einer Flüchtlingsunterkunft in Thalgau untergebracht - und auch heute lebt er wieder in Salzburg. So wie viele heutige Einwanderer musste auch Arash einst seine Familie und die ihm vertraute Welt zurücklassen.

"Als ich nach Österreich kam, verstand ich kein einziges Wort Deutsch", erzählt Arash. Stolz zeigt er seinen österreichischen Reisepass, den er seit Jahren hat. Wie viele andere auch musste er bald Deutsch lernen. Eine Familie unterstützte ihn dabei, brachte ihm in vielen Stunden die Sprache näher. Durch sie lernte er auch Österreich selbst kennen und verstehen. Arash ist der Familie dafür bis heute dankbar. Er fühlt sich in Österreich integriert und anerkannt. Besser vielleicht als manch anderer. Trotzdem werde er nach wie vor in mancher Situation benachteiligt. "Auf Ämtern und in der Arbeit lassen sie es dich spüren", sagt er. Anders als in den USA fragten viele Österreicher zuerst nach der Herkunft - und nicht danach, was man für die Gesellschaft auch leiste.

"Die Integration von Migranten funktioniert oft nicht", sagt Arash. Er führt das sowohl auf die fehlende Bereitschaft mancher Migranten als auch auf deren Ablehnung durch die Mehrheitsgesellschaft zurück. Sprachkurse seien zwar immer noch eine der wichtigsten Bausteine dafür, aber seiner Einschätzung nach erst der Anfang der Integration in Österreich. Bemühungen von Migranten, sich in der österreichischen Gesellschaft zu integrieren, sollten besonders "belohnt" werden, findet Arash. Sei es durch Aus-und Weiterbildungen oder durch Förderung ihres beruflichen Aufstiegs.

Ein Mensch, zwei Identitäten

Arash hört von Migranten vieles über die Gesellschaft in Österreich. Manchmal auch wie schlecht und verdorben sie in ihren Augen sei. Viele seien unsicher, wissen zu wenig über die Traditionen und das Leben in Österreich; auch nicht über die Geschichte des Landes, den Aufbau nach dem Krieg oder die Gleichberechtigung von Mann und Frau. "Migranten müssen mehr über die Geschichte Österreichs erfahren", sagt er. "Zweistündige Ethikkurse sind bestimmt zu wenig, um Missverständnisse zu beseitigen." Positive Beispiele von Menschen, die es beruflich geschafft haben, gebe es genug. Sie könnten als Integrationsvermittler vor den Neubürgern auftreten und ihnen zeigen, wie es bei ihnen funktioniert habe.

In die Gesellschaft finden, an Ereignissen teilnehmen -Migranten sollten sich mehr in Vereinen wie der Freiwilligen Feuerwehr engagieren, damit sie sich rascher in der Gesellschaft integrieren, sagt Arash. Auch sollten diese aktiv an sie herantreten. "Migranten sollten den Mix aus beiden Kulturen als Vorteil begreifen -das ist ihre Zukunft hier", findet Arash.

"Wir glauben, dass die Assimilation jener Zustand ist, bei welchem der bei uns anwesende Ausländer nicht mehr auffällt." Diese Aussage stammt aus dem Film "Die Schweizermacher" aus dem Jahre 1978. Darin setzte sich der Regisseur Rolf Lyssy mit der Assimilation von Gastarbeitern auseinander. Sie versuchen sich den Gewohnheiten anzupassen, lernen Schweizerdeutsch. Nur jene, die sich anpassen, dürfen auch Schweizer werden. Beobachtet und auf Schritt und Tritt verfolgt werden sie dabei von Einbürgerungsbeamten. Einen davon spielt der auch in Österreich bekannte Kabarettist Emil Steinberger. Der Film habe an Aktualität nichts verloren. Latent sei Fremdenhass genauso vorhanden wie früher, findet Regisseur Lyssy. Der Humor und die erkennbare Ironie sei nicht an eine begrenzte Zeitperiode gebunden.

Integration versus Assimilation

"Im alltäglichen Sprachgebrauch kann man wohl sagen, dass mit dem Terminus 'Anpassung' Assimilation gemeint ist", sagt Hilde Weiss, Professorin für Soziologie an der Uni Wien. Sie forscht über ethnische Minderheiten und Migration. Integration beginne bereits mit der Teilhabe an den verschiedenen "Systemen", sagt Weiss. Sie sieht die Teilhabe am Arbeitsmarkt als einen "zentralen Integrationsmechanismus". Weitere wichtige Faktoren seien etwa soziale Kontakte. Bei der "Assimilation" erfolgt die "Verschmelzung" mit der Aufnahmegesellschaft. Dieser Begriff komme aus den frühen Forschungen zur Einwanderung in die USA. Untersucht wird dabei die Eingliederung der Einwanderergruppen als mehrstufiger Prozess bis zur Angleichung an den "American way of life". Gehe man vom strengen "Assimilationskonzept" aus, sagt Weiss, "dann dauert der Prozess der Assimilation über zwei Generationen." Anpassungs-und Eingliederungsprozesse verliefen aber nicht für alle gleichartig, schränkt sie ein. Aber ist Assimilation überhaupt das erstrebenswerte Ziel?

Caritas-Präsident Michael Landau spricht sich für eine Integration aus, die die Einzigartigkeit des Verschiedenseins anerkennt. "Gelungene Integration meint das Außer-Streit-Stellen gesellschaftlicher und zivilisatorischer Errungenschaften wie Rechtsstaatlichkeit, Religionsfreiheit oder etwa der Gleichberechtigung von Frau und Mann", sagt er. Und er ist überzeugt: "Heute reden viele von Integration, meinen aber Assimilation." Die Frage sollte aber nicht lauten: "Schnitzel oder Kopftuch?" Auch für Papst Franziskus sei die Integration nicht eine Angleichung, "die dazu beiträgt, die eigene kulturelle Identität zu unterdrücken oder zu vergessen", sagt Landau. Der Kontakt mit dem anderen führe vielmehr dazu, sein "Geheimnis" zu entdecken, sich ihm zu öffnen, um seine wertvollen Seiten anzunehmen und so eine bessere gegenseitige Kenntnis zu erlangen.

Vier Seiten im Regierungsprogramm

Durch das Integrationsgesetz, das im Juni vergangenen Jahres in Kraft trat, sollen Asylberechtigte sowie subsidiär Schutzberechtigte in die Gesellschaft integriert werden. Sie werden etwa im Rahmen der Integrationsvereinbarung dazu verpflichtet, an Sprach- und Wertekursen teilzunehmen und diese mit einer Prüfung abzuschließen.

"Rasche Selbsterhaltungsfähigkeit, die Teilnahme am Arbeitsmarkt sowie die erfolgreiche Teilnahme am Bildungssystem sind das Ziel gelungener Integration", steht im türkis-blauen Regierungsprogramm, das sich auf lediglich vier von insgesamt 184 Seiten dem Thema Integration widmet. Die Verleihung der Staatsbürgerschaft könne laut Regierungsprogramm der Abschluss des erfolgreichen Integrationsprozesses sein.

"Die Staatsbürgerschaft soll aber nicht am Anfang und nicht am Ende des Integrationsprozesses stehen, sondern als wichtige Interpunktion in einem fortgeschrittenen Integrationsprozess", sagt der Soziologe und Integrationsexperte Kenan Güngör. "Viele, die sie erhalten, werden weiterhin als Fremde wahrgenommen und ein Teil fühlt sich auch weiterhin hier fremd." Er sieht die neue Regierung mehr denn je gefordert, die Voraussetzungen dafür zu schaffen, die Menschen in Österreich zu integrieren. Wie das mit den aktuellen Kürzungen im Bereich Integration gelingen solle, sei ihm aber "schleierhaft", sagt Güngör (siehe Interview)."Integriere dich und falle nicht auf, aber eigentlich wollen wir dich gar nicht hier", sieht Güngör als Leitlinie der heimischen Politik.

Nein, an eine Rückkehr in den Iran denkt Arash heute nicht mehr. Sein Heimatland ist Österreich, seine Heimatstadt Salzburg. Er schätzt hier das Miteinander, die gelebte Toleranz auch gegenüber verschiedenen Religionen. "Integration ist aber keine Einbahnstraße", sagt Arash. Sie beruhe auf Gegenseitigkeit. Egal ob Einheimischer oder Migrant -jeder müsse sich daran beteiligen und trage auch zu deren Gelingen bei.

Seit einigen Jahren ist Arash mit einer Polin verheiratet. Ihre gemeinsame Tochter Laura kam im Jänner zur Welt. "Sie ist schon von Geburt an Österreicherin", sagt Arash.

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