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Überall eine „Erosion“

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Doch zweifeln auch kirchliche Personen daran, daß politische Interventionen von kirchlicher Seite in erheblichem Maße die Wahlen mitbestimmen können. Sicher ist jedoch: wenn die KP Italiens geglaubt hatte, durch ihre Anbiederung an die Kirche irgendwelche Vorteile erringen zu können, so hat sie ganz falsch gerechnet. Sie konnte diesmal nicht die „klerikale Einmischung in die Politik“ anprangem, weil dies mit ihrer gegenwärtigen politischen Linie gegenüber der Kirche im Widerspruch gestanden hätte, und sie hat, ohne zu reagieren, die Angriffe von dieser Seite hinnehmen müssen. Während die Stimmenernte unter den Katholiken sehr gering ausgefallen sein muß, hat sie die Kommunisten aus Ideologie vor den Kopf gestoßen und verärgert. Der Rückgang der Kommunisten ist, im ganzen betrachtet, nur eine „Randerosion“, wie sich das KP- Organ „Unitä“ ausdrüdkt, aber daß es überhaupt einen gibt, daß das langsame Fortschreiten aufgehört hat und ein Stillstand eingetreten ist, ist bemerkenswert genug. Die

Erscheinung ist auch nicht, wie sich gezeigt hat, eine Folge der letzten Wahlkampagne. Gewisse Anzeichen dafür hat es bereits gegeben: im Juni 1965 bei den Regionalwahlen in Sardinien, bei den Gemeindewahlen in Görz und in Rovigo sind der KP eine halbe Million Stimmen abhanden gekommen, doch konnte das noch auf bestimmte lokale Bedingungen zurückgeführt werden. Diesmal ist die „Erosion“ allgemein.

Sozialdemokraten rücken auf

Die bemerkenswerteste Verschiebung in den letzten Wahlen betrifft die Sozialdemokraten, die ihren prozentuellen Anteil an der Gesamtwählerschaft von 5,2 auf 8,8 in den acht Provinzhauptorten und von 3,9 auf 7,3 in den genannten drei Provinzen erhöhen konnten, sicherlich auch durch Zufluß ehemaliger liberaler Stimmen, aber auch von anderen Seiten, von linkssozialistischer etwa, wo der Aderlaß fast noch empfindlicher ist als bei den Liberalen. Dem sozialistischen Leader Pietro Nenni wird von seinem linken Parteiflügei vorgeworfen werden, daß er die Partei durch eine „Sozialdemokratisierung“ zum Ruin führe. Jedoch zeigt der Wahlausgang, daß die sozialistische Wählerschaft gerade diesen Weg bevorzugt. Die Fusion der beiden Parteien kann nicht mehr auf marxistischer, sondern auf sozialdemokratischer Basis erfolgen. Es ist ein merkwürdiges Zusammentreffen, daß gerade jetzt der üründer der italienischen Sozialdemokratie, Guiseppe Saragat, einen Staatsbesuch in Schweden macht, in dem Land, dessen soziales Gleichgewicht der Wunschtraum von vielen Millionen Italienern ist.

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