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Koalitionspartner und Opposition

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War sein Mißlingen von der CGIL vorausgesehen worden? Wenn ja, wirkt die fatale Funktion der CGIL, Transmissionsriemen der KP zu sein, noch deprimierender. Auf der jüngsten 5. Organisationskonferenz der Partei hatte Palmiro Tooliatti angekündigt, daß der Regierung Moro-Nenni jede mögliche Schwierigkeit gemacht werde, um sie zum Rücktritt zu zwingen und eine „wirkliche“ Linksöffnung herbeizuführen. Gemeint ist natürlich die Beteiligung der Kommunisten an der Regierung, der sogenannte „Neufrontismus“. Die CGIL sollte als Brecheisen verwendet werden.

Tatsächlich war es nicht so sehr der Streik selbst, der Moro zu schaffen gemacht hat, als ein peinlicher politischer Nebeneffekt. Der Streik hat die zwiespältige Situation innerhalb der Sozialistenpartei Nennis und in der Koalition in ein grelles Licht gerückt und gezeigt, daß sie auf die Dauer unhaltbar ist In der CGIL kommandieren zwar die Kommunisten, aber es sind als Minderheit auch die Linkssozialisten in ihr vertreten, in zwei Erscheinungsformen: als Anhänger der neuen Dissidentenpartei PSIUP und als altgläubige Sozialisten, allerdings mehr auf das Wort Riccardo Ixjm-bardis als auf Nennis hörend. Die Sozialisten sind also in diesen Tagen in doppelter Funktion aufgetreten, als Regierungspartei und Koalitionspartner, hervorragend vertreten in der Person ihres Budgetministers Antonio Giolitti, berufener Verteidiger der Lira; und als Opposition gegen die Regierung, vertreten durch den Lombardianer Fernando Santi, Vizesekretär der CGIL.

Der Streik war nicht bloß als Anschlag gegen die Wirtschaftskraft gemeint gewesen, sondern auch gegen Giolitti und die christdemokratisch-sozialistische Koalition überhaupt. Wahrscheinlich Waren Santi und die Seinen über ihn selbst nicht glücklich, und vielleicht kommt ihnen der Mißerfolg gar nicht so ungelegen. Doch hat sich erwiesen, daß das, was der sozialdemokratische Parteiführer Giuseppe Saragat unermüdlich verlangt hat. daß nämlich die Demokratisierung der Nenni-Partei erst durch die Lösung von de Kommunisten vollständig würde, wohlbegründet ist. Dazu hat es aber noch gute Weile.

Es ist äußerst unwahrscheinlich, daß die Nenni-Sozialisten, nachdem sie der Eintritt in die Regierung ungefähr 10 bis 15 Prozent ihrer Kräfte gekostet hat, eine weitere Spaltung durch den Austritt aus der CGIL riskieren wollen. In ihr wagen sie jedoch nicht als mäßigendes Element zu wirken und erleiden, ohne zu reagieren, die Präpotenz der kommunistischen „Freunde“ und die Demagogie der einstigen sozialistischen Genossen, heute in der „Sozialistischen Partei der proletarischen Einheit“. Nicht einmal die KP vermag sich dem Druck von links zu entziehen und sieht sich von diesen Dogmatikern überrundet. Ihre Mißlaune darüber wird noch gesteigert durch die Aussicht, daß mit der offiziellen Exkommunizierung der KP Chinas der Weg frei wird für die Gründung einer kommunistischen Partei chinesischer Ausrichtung in Italien. Togliatti hat sich gegen die pankommunistische Konferenz ausgesprochen, weiß aber, daß er sie nicht verhindern kann. Er weiß auch, daß auf dem extremen linken Flügel der KP Italiens die Unzufriedenheit wegen seines Opportunismus und Revisionismus im Wachsen ist. Die eventuell entstehende Dissidentenpartei würde zahlenmäßig zwar klein sein, aber ihre Kräfte aus der KP holen und diese vor allem in eine dauernde ideologische Polemik verwickeln.

Auch das ist ein Grund, warum er die Regierung Moro-Nenni zu Fall bringen möchte und zugleich auf dem „Dialog mit den Katholiken“ insistiert. Mit Togliatti in der Regierung würde die neue, die „wahrhafte“ Linksöffnung ein leichtes Leben haben. Man würde bezüglich der Strukturveränderungen mit sich reden lassen, Streiks wären nicht mehr zu befürchten, Arbeiter und Staatsangestellte würden zurechtgewiesen, wenn sie unbillige Forderungen stellen, ja, man würde nicht einmal den Austritt aus der NATO oder aus der EWG verlangen. Das alles würde man zugestehen und billigen, zumindest so lange, bis alle Hebel in kommunistischen Händen und die Kommandostellen von zuverlässigen Leuten besetzt sind.

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