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Die linke Mitte hielt

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Ein bunter Prospekt hat in den Gemeinden, wo kürzlich die Kommunal- und Provinzialwahlen abgehalten worden sind, „Die Villa Ihres Traumes“ angeboten. Das Offert kam von einer Immobiliengesellschaft, der „Societa Immo- biliare Botteghe Oscure (SIBO)“ mit dem Verwaltungssitz und dem Ver- kaufefoüro in Rom, Via delie Botteghe Oscure 4, Telefon 684.101. Die im Photo gezeigten Villen — in den Albanerbergen bei Rom, am römischen Badestrand von Fregene, im albruzzesischen Nationalpark, an der Via Appia Antiea, in Capri usw. — sahen teuer aus und waren es auch. Wer aber nähere Verkaufebedingungen zu erfragen suchte, bekam am Telefon wütende Antwor ten. Die Adresse und die Telefonnummer entsprachen nämlich jenen des Zentralsitzes der Kommunistischen Partei Italiens und „Die Villa Ihres Traumes“ sind sämtliche im Besitz der kommunistischen Parteiexponenten: des Sekretärs der KP, Luigi Longo, der Togliattd-Witwe Nilde Jotti, der Abgeordneten Maria Lisa Cinciari Rodano, der Mitglieder des ZK Alicata und Amendola, des Vorsitzenden der Zentralen Kontrollkommission, Senator Terracini, des Senators Antonio Pesenti, der Abgeordneten Carocci und Nannuzzi, der Dynastie Spallone, Leibärzte der jeweiligen kommunistischen Partei- chefs und selbst KP-Parlamen- tarier...

Es ist natürlich schwer zu sagen, welche propagandistische Wirkung die „Werbung“ ausgeübt hat. In bürgerlichen Kreisen mag sie eine Beruhigung hervorgerufen haben: wenn die KP-Exponenten den bürgerlichen Wohlstand zu schätzen beginnen, kann ihr revolutionärer Drang nicht mehr sehr groß sein. Bei den KP-Wählem mag sie bittere Gedanken wachgerufen haben. Das für die kommunistische Partei enttäuschende Ergebnis der Gemeinde- und Provinzwahlen vom 12., 13. Juni ist zwar nicht auf den Prospekt, aber doch auf die in weiteren Kreisen sich durchsetzende Überzeugung zuTÜckzuführen, daß der laute Protest der KP-Führer über die sozialen Mißstände gesprochenes oder geschriebenes Wort bleibt, ohne daß ernsthafte Versuche zur Änderung unternommen würden. Denn selbst in den Gemeindeverwaltungen, wo die Kommunisten allein oder mit anderen schalten und walten konnten, sind die Dinge geblieben wie sie waren, konnten nicht anders werden, denn eine Sache ist es, maximale Forderungen zu erheben, und eine andere, der harten Wirklichkeit realer Erfüllung begegnen zu müssen.

Moro gefestigt

Die Kommunalwahlen haben eine Bevölkerung von fünf Millionen Wählern betroffen, die sich ziemlich genau auf Nord-, Mittel- und Süd italien verteilen, auf Großstädte wie Rom und Genua, auf mittlere wie Floren Forli, Pisa, Ascoli Piceno, Bari und Foggia sowie hunderte kleine Landgemeinden; auch von den drei Provinzen, die für die Provinzialräte wählten, liegt eine in Norditalien, Forli, eine im Zentrum, Rom, und eine im Süden, Foggia. Als politischer Test konnte es keine idealere Zusammensetzung geben.

Die Bedeutung ging aber noch über einen solchen hinaus. Die jüngsten Wahlen haben seit 1964 zum erstenmal wieder einem größeren Wählerkreis das politische Thermometer unter die Achsel geschoben, sie haben erstmals Aufschluß darüber geben können, wie das „Centro-Sinistra“, die Koalition der katholischen Partei mit den sozialistisch orientierten, bei der Bevölkerung angekommen ist. Vor diesen Wahlen gingen Gerüchte über die angeblich unhaltbare Position der Regierung Moro im Lande herum, man zweifelte, ob Moro das Ende der Legislaturperiode im Frühling 1968 erreichen würde, man sprach von einem Scheitern der linken Mitte, teils weil sie einen konservativen Kurs eingeschlagen habe, teils weil sie sich den Marxisten ausgeliefert habe. Man befürchtete die Zunahme der Kommunisten, man rechnete damit, daß sie in Rom das Kapitol erobern, das heißt hier zur stärksten Partei werden könnten.

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