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Um die überparteiliche.Gewerkschaft in Italien

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Durch das Auftreten der Kommunisten ist der Allgemeine Gewerkschaftsbund, dieses große Machtinstrument in den Händen der Arbeiterschaft Italiens, in ein Spannungsfeld geraten, in dem er zerrissen zu werden droht. Noch läßt die alte sozialistische Tradition der Gewerkschaftseinheit bei den Rechtssozialisten den Gedanken an einen Austritt noch nicht aufkommen; doch sie verlangen immerhin die Duldung und Anerkennung verschiedener Meinungen und Tendenzen und erhalten sie nicht.

Die Initiative zur Schaffung einer von fremden politischen Einflüssen freien Organisation steht heute ganz bei den Democristiani. Ihre „Christliche Gewerkschaftsbewegung” hat sich in der dritten Oktoberwoche entschlossen, aus dem Allgemeinen Gewerkschaftsbund auszutreten. Gleichzeitig ist ein neuer „Freier Allgemeiner Gewerkschaftsbund” gegründet worden, der alle nichtkommunistischen Gewerkschafter zu vereinen strebt. Die Hauptprobe seiner Existenzberechtigung wird darin liegen, der bloßen Demagogie eine neue, auf das Positive gerichtete Methode der gewerkschaftlichen Aktion entgegenzusetzen.

Dies ist ja der Sinn der Neugründung: die Forderungen der Arbeiterschaft und nicht die Ordonnanzen einer politischen Parteiinstanz zur Geltung zu bringen und auf die wirklichen Bedürfnisse der Arbeiterschaft, die nach Ort und Berufsart in Italien sehr verschieden sind, die Sozialpolitik des Verbandes abzustimmen.

Das ganze Gewerkschaftsproblem wäre ziemlich einfach zu lösen, wenn es sich nur um diese technischen Fragen handeln würde. Aber jede Aktion wird hier von der Öffentlichkeit zuerst danach beurteilt, welche Parteileute dahinterstehen. Und handelt es sich um Männer der Democrazia Cristiana, fragt man hier sofort, wieweit die Katholische Aktion beteiligt sei. Wohl hat die • Kirche ihre Haltung gegenüber der Demokratie eindeutig klargestellt und ist in der Sozialpolitik sogar geistig führend geworden. Doch das alte bösartige Mißtrauen ist noch nicht überall erloschen und die Partei der christlichen Demokraten Italiens trägt schwer an diesem Erbe. So ist auch die jüngste Gründung der freien Gewerkschaft in der rechtssozialistischen Presse als „konfessionell” bezeichnet und abgelehnt worden.

Es trifft nur zu, daß das Gründerkomitee aus Democristiani besteht —, was übrigens auch in den eigenen Reihen offen getadelt worden ist. Aber jemand mußte schließlich anfangen und zur Intiative stehen. Und was die Sache selbst betrifft, lassen die Democristiani keinen ernsten Zweifel daran zu, daß sie einen unzweideutig unparteiischen, nicht einen konfessionell oder politisch bestimmten Verband wollen. „Die Taten werden für uns sprechen, voreilige Abschätzungen sind ohne Grund”, rief das Organ der Katholischen Aktion den Sozialisten zu, „denn der Syndikalismus wird nicht in den Zeitungen gemacht, sondern in gewerkschaftlicher Aktion auf dem Felde der Arbeit — an der Basis, wie die Marxisten sagen.”

Der außerordentliche Kongreß der Arbeitergruppen der Katholischen Aktion hat sich denn auch bereits vor Wochen mit einem starken Mehr für eine gemeinsame neutrale Gewerkschaftspolitik ausgesprochen. Bezeichnend ist die Statutenänderung: man will nicht „christliche Gewerkschaftsbewegung”, sondern „soziale Bewegung der christlichen Arbeiter” sein. Die gegenwärtige Zersplitterung der Arbeiterbewegung gilt auch hier nur als Übergang zu einer Einheit der Gewerkschaften, die auf dem Boden des Naturrechts sich zur Verfassung des Landes und zur demokratischen Methode der Arbeiterbewegung bekennen.

All. das bedeutet keine Verleugnung der christlichen Grundsätze. Die italienischen Katholiken haben stets gewußt, daß die Kirche in sozialen und politischen Fragen nur die Grundsätze angibt und die Verwirklichung von den konkreten Umständen bestimmen läßt. Man beruft sich auch auf die Aufnahme der muselmännischen Arbeiter Nordafrikas in den französischen christlichen Gewerkschaftsbund und verweist auf die Enzyklika „Singulari quodam” vom Dezember 1912. Pius X. hatte damals die Streitfrage, ob die deutschen Katholiken den interkonfessionellen Gewerkschaften beitreten dürften, in bejahendem Sinne entschieden, mit dem Wunsche, es .möchten die Arbeiter’ für ihre persönliche religiöse Bildung zugleich den katholischen Arbeitervereinen sich anschließen. Und genau diese Rolle von religiösen Standes- vereinen ohne politische Funktion schreibt sich die Katholische Aktion Italiens vor.

Die nächste Zukunft wird zeigen, ob eine umfassende Einheit aller nichtkommunistischen und verfassungstreuen italienischen Arbeiter zustande kommen mag. Es wird viel persönliches und politisches Taktgefühl von selten der christlich-demokratischen Initianten nötig sein, um den sozialistischen Kręisen näherzükommen. Die allgemein erkannte Bedeutung des Unterscheidens von kirchlichen und politischen Belangendm Parteileben berechtigt zu Hoffnungen; auch weiß man, daß Saragat sein Interesse für das Vorhaben bekundet hat.

Denn in den nächsten Monaten wird die von der Verfassung vorgesehene Arbeits- undGewerkschaftsgese tz- gebung in Angriff genommen werden, wobei es von höchster Wichtigkeit ist, daß nicht die Kommunisten allein im Namen der Arbeiterschaft Italiens das Wort führen.

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